Uganda – the second journey – November 2011
Die letzte größere Reise dieses Jahres bringt mich zurück nach Uganda. Drei Wochen “ganz weit weg” – nicht nur in gemessener Distanz, sondern auch insgesamt gesehen. Weg von der manchmal frustrierenden (weil mir teilweise sinnfrei erscheinenden) Arbeit im Büro bei OSRAM. Weg vom einsetzenden Winter in München. Aber auch weg von meinem Freund, mit dem ich sowieso schon viel zu wenig Zeit habe.
Immerhin muss ich dieses Mal nicht alleine nach Afrika: mit mir fahren Anna Neubauer aus Regensburg, die neu zur Uganda Kinderhilfe gestoßen ist und nach ihrem Studium (vor dem zweiten Studium) noch ein Jahr Auszeit nehmen möchte, um die Welt zu erkunden. Jürgen Kunisch aus Mintraching, der sich mit der Reise einen Traum verwirklichen möchte, denn er war noch nie in Afrika gewesen und hat zuhause Frau und Kinder und sich die Auszeit von Urlaub und Geld abgespart. Außerdem noch Sarah aus Köln und Judith aus dem Allgäu. Die beiden kennen sich und uns “ukihis” noch nicht – sie wollen ein halbes Jahr in Uganda bleiben, um an “unserer” Schule in Jjanya bei Mpigi Deutsch zu unterrichten.
Am 12. November geht es dann endlich los. Jürgen, Anna und Sarah sind mit Harry und Norbert aus Regensburg an den Flughafen München gekommen. Judith steht schon am Check-In-Schalter, als mein Freund Olli und ich dort eintreffen. Wir erkennen uns allerdings erst, als schließlich der Regensburger Bus eintrifft und Norbert sie begrüßt. Vor dem Einchecken heißt es noch: Umpacken, um möglichst viele Geschenke, Kleidung, Schuhe und Spielsachen mit nach Uganda nehmen zu können. Zum Glück haben wir eine Waage dabei! Letztendlich muss sogar ein Kartoffelsack als Gepäckstück herhalten. 2x23kg darf jeder mitnehmen… oder doch nicht? Am Schalter der Turkish Airlines, wo wir 10min vor Schalterschluss schließlich zusammen aufkreuzen, scheint jeder einen anderen Tarif gebucht zu haben. Also was jetzt: dürfen wir 20kg mitnehmen; 2x19kg oder doch 2x23kg?? – Letztendlich hat man Nachsehen mit uns und alles darf mit, ohne dass wir Aufpreis zahlen müssen. Klein-Olli (ein süßer Teddy, den mir der große Olli am Vorabend noch geschenkt hat) darf natürlich nicht fehlen! Er wird aber im Handgepäck transportiert, um nicht im Gepäckraum frieren zu müssen! Vor dem Security Check müssen wir dann endgültig unsere Lieben zurücklassen, die uns noch hinterherwinken. Gerade Sarah und Judith müssen in diesen Momenten bestimmt tausend Gedanken durch den Kopf schießen – schließlich werden sie nicht wie wir nach drei Wochen wieder zuhause sein, sondern ein halbes Jahr in einer für sie total fremden Kultur verbringen! Wir heben pünktlich ab, und auch die vier Stunden Aufenthalt in Istanbul gehen schnell vorbei. Wir haben es uns in einem Cafe gemütlich gemacht, von welchem aus wir in alle Richtungen ausschwärmen, um durch den türkischen Basar zu stöbern, ein paar letzte europäische Besorgungen zu machen oder einfach nur die Geschäfte abzuklappern, um die Zeit totzuschlagen. Schade, dass ich nicht am Fenster gesessen bin, denn ich kann nicht schlafen – und laut Judith hatte man während der Fahrt ganz toll auf Kairo und den Nil schauen können. So haben sich die sechs Stunden Flug bis nach Entebbe doch etwas in die Länge gezogen. Um kurz nach zwei Uhr morgens Ortszeit setzten wir nach ein paar “Schüttlern” durch die Wolken pünktlich auf. Ganz einfach ist es nicht, auf den Gepäckbändern die richtigen Seesäcke auszumachen – die, die auch wirklich uns gehören. Sind das wirklich alle? Es scheinen alle Gepäckstücke da zu sein – bis auf den weißen Kartoffelsack. Am Lost&Found-Schalter holt uns zum ersten Mal die afrikanische Langsamkeit ein. Außerdem hat Jürgen seinen Hefter mit den Adressen und Telefonnummern im Flieger liegen lassen. Am Turkish Airlines Schalter soll dieser aber gefunden worden sein – nur leider hat der Schalter schon geschlossen, als Jürgen dort anfragen will. Der Kartoffelsack mit den Schuhen und Trainingsanzügen drin ist leider noch nicht aufgetaucht. Immerhin erhalten wir die Zusage, dass man uns Bescheid sagen würde, sobald dieser gefunden ist. Zur Sicherheit lassen wir uns auch noch eine Telefonnummer geben, wo wir selbst checken können, nachdem der nächste Flieger (in der Nacht von Mo auf Di) gelandet sein würde. Nach all dem hin-und-her ist es bereits halb vier, als wir endlich durch den Exit ins Freie treten und zum ersten Mal Afrikanische Luft atmen. Auf dem Weg vom Flieger ins Terminal war’s noch zu viel Kerosingestank… Unser Fahrer, der uns ins Central Inn bringen soll, ist glücklicherweise wiedergekommen – er hatte in der Zwischenzeit schon weitere Gäste dorthin transportiert. Im Central Inn hängt zwar ein Kronleuchter an der Decke, aber Strom ist keiner da. So erledigen wir den Check-in sowie den Gepäcktransport (2x23kg in den zweiten Stock) im Schein zweier schwacher Taschenlampen. Welcome to Africa!
Zum Glück schlafen wir gut. Zu gut vielleicht, denn irgendwas ist bei der Einstellung von Anna’s Uhr schief gegangen. Der Wecker hat noch nicht geklingelt, als Judith um halb zehn an die Tür klopft, um uns rauszuholen. Wir hatten verschlafen! Eigentlich hätten wir um neun Uhr abgeholt werden sollen… aber Headmaster Charles und die “Empfangscrew” sind sowieso noch nicht da. Schließlich sind wir in Afrika, wo Zeitangaben meist nicht mehr als ungefähre Schätzungen sind. Uns bleibt noch genug Zeit, um zu Duschen und in Ruhe zu Frühstücken. Für Jürgen, Anna und mich würde das die letzte gute Dusche für drei Wochen sein, denn in Jjanya gibt’s kein fließend Wasser. Unsere Körperhygiene würden wir dort unter einer Campingdusche erledigen müssen – im Freien, oder alternativ in der ziemlich muffeligen gemauerten Duschkabine (das Kloo und die Latrine gleich daneben)… für Sarah und Judith würde dieser Zustand noch einiges länger andauern!
Die Begrüßung von Headmaster Charles ist sehr herzlich. Er hat seine zwei kleinen süßen Mädchen mitgebracht. Außerdem sind Annemarie (seine erwachsene Ziehtochter) und Teddy mit im Bus. Die beiden werden für die nächsten drei Wochen unsere Köchinnen sein. Und natürlich Johnboy, unser Haus-und-Hof-Fahrer. Für europäische Verhältnisse wäre der Kleinbus schon gut besetzt gewesen… aber in afrikanische Busse passt einfach mehr rein. Wir fünf sind kein Problem. Auch unser doch recht umfangreiches Gepäck nicht. Später kommt noch ein Kleinkind dazu. Zunächst aber fahren wir noch mal zurück zum Flughafen. Vielleicht ist ja unser Gepäckstück aufgetaucht. Und Jürgen’s Ordner. Den Ordner sehen wir sofort – er liegt im Turkish Airlines Office, mitten auf dem Tisch. Nur das Office ist leider geschlossen – wir haben Sonntag. Auch beim Lost and Found haben wir nicht mehr Glück. Man schickt uns wieder weg – man würde uns anrufen… Immerhin können wir am Flughafen Geld abheben und ich mache einige süße Fotos von einer Schulklasse in roten Uniformen, die das Erdgeschoß des Flughafens bevölkert und fröhlich dort spielt. Jetzt geht’s rein in die Stadt. An der Straße von Entebbe nach Kampala fallen mir unzählige MTM-Telecom-Buden auf sowie Hütten mit Werbungen anderer Telefongesellschafen. Jede zweite Hütte scheint hier mit Handys Geld zu verdienen. Nach einer halben Stunde Fahrt halten wir an einer Tankstelle – laut Headmaster Charles, um Getränke zu kaufen. Das ist schnell erledigt. Wieso wir trotzdem nicht weiterfahren, stellt sich eine halbe Stunde später raus: Annemarie taucht mit einem kleinen Mädchen an der Hand auf. Ihre Tochter Catherine. Ein wirklich süßes Mädl, das in den nächsten Tagen immer bei ihr sein wird – aber wir hören es niemals quengeln oder weinen, es ist immer fröhlich und versteht es, jeden von uns um den Finger zu wickeln. Als nächstes fahren wir Geld wechseln. Hierzu halten wir an einem Hotel, das in den hinteren Räumen eine Western Union Bank beherbergt. Hier wechsle ich auch einige der Euros, die mir Norbert als “ukihi-Geld” mitgegeben hat – also für Ausflüge, die wir mit den Kindern machen würden und weitere Ausgaben, die der Verein trägt. Außerdem setzen wir unsere Gruppenkasse auf, für die Jürgen die Verantwortung trägt, und in die jeder von uns 500.000 SHS Startkapital einzahlt. Aus dieser werden wir alle privaten Ausgaben der Gruppe tätigen: also unser Essen sowie weitere gemeinsame Aufwendungen. Ich würde gerne noch mehr Uganda-Schilling abheben, da ich mich am Flughafen “verkalkuliert” habe – ein Euro sind nicht 1400 Uganda-Schilling, sondern 3400. Die 500.000, die ich in der Tasche trage, würden folglich nicht ausreichen. Leider möchte mir der Automat der Western Union kein Geld geben. Auch in dem Einkaufszentrum, wo wir kurz darauf unseren “Einstandseinkauf” erledigen, bekomme ich am Automaten kein Geld. Wir einigen uns, dass ich den Sammeleinkauf per Visa-Card bezahle. Der Einkauf gestaltet sich als ganz schön kompliziert. Annette hat eine Liste vorbereitet mit all den Dingen, die wir so brauchen werden: Reis, Nudeln, Margarine, Salz, Zucker, Tee sowie einiges mehr… und natürlich Matooke, die Kochbananen, die aus der hiesigen Küche nicht wegzudenken sind. Wir schwärmen in alle Richtungen. Was ist schon im Wagen, was noch nicht? – Wenn fünf Personen einkaufen, muss das lange nicht bedeuten, dass es deswegen schneller geht! Wie viel Wasser brauchen wir; ist Besteck vorhanden, kaufen wir die Eier hier oder anderswo, und was ist eigentlich Blue Band?… Headmaster Charles, der ebenfalls durch die Regalreihen schwirrt, wird langsam ungeduldig. Später werden wir auch erfahren, wieso: in der Schule sind gerade Examen (Schuljahr-Abschlußprüfungen), was für ihn erhebliche Mehrarbeit bedeutet. Endlich ist auch diese Erledigung geschafft. Aber würden wir die 10x4l Wasserkanister plus die unzähligen weiteren Plastiktüten wirklich noch in den Bus bekommen (wir wollen ja schließlich auch noch mit?!). Unglaublich, aber wahr – es klappt tatsächlich! Die letzte Erledigung stellt sich als die Schwierigste raus: wir wollen “Airtime” kaufen für unser Vereins-Handy, Gesprächsguthaben also. Außerdem drei weitere Karten mit neuen Telefonnummern für mich sowie Sarah und Judith. Der große MTN-Laden in dem Einkaufszentrum schien mir hier sehr erfolgversprechend zu sein – doch leider ist dieser “out of stock” – kein Bestand mehr. Sowas kann auch nur in Afrika passieren! Da würden wir an den vielen Buden wohl noch weniger Glück haben. Schließlich ist Sonntag. Aber Headmaster Charles schafft das Unmögliche und treibt in der Tat eine Bude auf, die uns Karten sowie Airtime verkaufen kann. Der Frau hinter dem Brettertresen bescheren wir richtiges Big Business: Sarah lädt gleich 150.000 SHS auf ihre Karte. Judith 50.000. Ich 30.000 – also gleich drei neue Verträge, die sie abschließen kann. Die zugehörigen SIM-Karten kramt sie aus ihrer Handtasche. Die Freischaltung sowie die Aufladung erledigt sie von ihrem Handy, das – die Batterie mit Tesafilm festgehalten – auch schon mal bessere Zeiten gesehen hat. Geschickt checkt sie mit unseren Handys trotz deutschsprachigem Menü die uns zugeteilten Telefonnummern und kann auch Auskunft geben, wie dies und das funktioniert. So langsam wird mir klar, wieso es so viele Buden gibt, die etwas mit Mobiltelefonie zu tun haben: für dieses Business braucht man wenig Startkapital. Ein eigenes Handy genügen. Und einige Shilling Provision fallen wohl trotzdem ab. Unsere MTN-Dame ist so froh darüber, uns die Verträge verkauft zu haben, dass sie für Charles sogar noch Gratis Airtime spendiert, was diesen wiederum sehr froh macht. Nur die Reaktivierung der ukihi-Nummer hat leider nicht geklappt – vermutlich, weil Sonntag ist. Charles ist sich ziemlich sicher, dass die Karte noch gültig ist, da wir nur die Message bekommen, dass “der Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar sei”. Die Telefonaktion kostet uns eine weitere Stunde, und am Bus werden wir schon sehnsüchtig erwartet. Wo wir denn so lange bleiben? Auf der Fahrt nach Jjanya hinaus kommen wir durch eine Siedlung mit ärmlichen Bretterbuden und einer riesigen Pfütze, die wir durchqueren müssen. Ob wir hier beim letzten Mal auch entlang gefahren sind? Ich kann mich nicht dran erinnern. Charles klärt mich auf, dass wir nur einen Stau umfahren.
Die Hauptstraße nach Masaka mit ihren sanften grünen Hügeln gesäumt erkenne ich sofort wieder. Auch Mpigi ist mir noch vertraut: das Post Office, etwas außerhalb der Hauptstraße gelegen; weiter unten der Hauptplatz mit dem Markt. Hier kaufen wir noch Matooke und Zwiebeln ein. Jetzt sind es nur noch wenig Kilometer durch den Wald. Gegen fünf Uhr treffen wir endlich an der Schule ein. So bleibt uns nur noch recht wenig Zeit, um unsere Zimmer bei Tageslicht für die Nacht vorzubereiten. Betten müssen gerückt werden, Matratzen verteilt und die Moskitonetze aufgehängt. Die vielen Seesäcke sind uns oft im Weg. Schränke gibt es nicht – alles muss aufgehängt werden, oder es liegt am Boden. Die Ziegelwände können nur schlecht Nägel aufnehmen, und so baumelt alles von der Decke. Judith ist hundemüde. Leider ist sie die einzige, die noch kein Bett hat. Dieses muss erst herbeigeschafft werden. Es kommt an, als wir ihr schon anderweitig geholfen haben. Die Mädls wollen zu kochen beginnen – unter dem Holzdach vor unserem Guesthouse. Leider haben wir die Matooke bei Johnboy im Bus vergessen. Die ist schnell wieder herbeigeholt. Danach stellen wir fest, dass die Holzkohle fehlt. Also muss noch mal ein Boda-Boda losgeschickt werden nach Mpigi. Letztendlich ist es fast neun Uhr, als wir endlich was in die hungrigen Mägen bekommen. Charles kann leider nicht bis zum Essen bleiben, denn er ist aufgrund der gerade stattfindenden Examensprürfungen, die die Schüler abzulegen haben, ziemlich im Streß. Das Matooke mit Tomatensoße schmeckt lecker! Gegen zehn Uhr fallen wir alle todmüde in unsere Betten. Ich schlafe wie ein Stein, umgeben von afrikanischen Geräuschen und Gerüchen. Als ich nachts einmal unsere Bedürfnisanstalt aufsuchen muss, habe ich scheinbar einen Nachbar gestört, denn kurz darauf höre ich “hello, hello”-Rufe von außen. Ich bin schnell wieder eingeschlafen, und erfahre erst am nächsten Tag, dass wohl jemand von außen an unseren Türen gerüttelt haben muss. Zum Frühstück gibt es Omelette. Wir können in Ruhe unsere neue Teilzeitheimat bestaunen – endlich genug Tageslicht! Jürgen sitzt schon wie auf Kohlen, da er europäisch-pflichtbewusst am besten auf der Stelle zu Arbeiten anfangen möchte. Noch haben wir aber kein Material, keine Anweisungen – und die Wasserleitung, die wir hätten verlegen sollen, scheint schon so gut wie fertig zu sein. Zumindest zieht sich bereits ein langer Graben von der Wasserentnahmestelle hinter der Kirche nahe der Secondary über den Hügel nach unten zur Primary School. Headmaster Charles ist beschäftigt – vor seinem Büro steht eine lange Schlange. Wir werden von den Schülern, die wohl gerade Pause haben, bestaunt aber auch freudig begrüßt. Man weiß, dass wir die Mzungi sind. Also die Weißen, die das Geld mitbringen. Und die zumindest ein Stück weit mithelfen, die St. Martin’s Secondary School in Jjanya ein bisschen angenehmer zu machen. Headmaster Charles ist nicht greifbar, um uns wie versprochen die Schule zu zeigen. Ich kenne mich von meinem letzten Aufenthalt vor drei Jahren noch etwas aus und zeige den anderen, so gut wie ich mich noch erinnern kann, die Gebäude der Schule. Wobei wir versuchen, die in den Klassenräumen aufmerksam ihren Lehrern lauschenden Schüler nicht zu stören. Wir schauen uns das Mädchen-Wohnheim, das vor dem Bau eines neuen Wohnheims von Mädchen und Jungs bewohnt wurde. Hier wäre einiges zu tun und zu richten: Fensterläden hängen herunter, Moskitonetze sind zerfetzt und verrostet. Wir bemerken eine große Baustelle zwischen Primary und Secondary School: hier soll eine neue Kirche entstehen, wie wir später erfahren, von der Diözese getragen. Erstaunlich, denn die bestehende Kirche hätte unserer Meinung nach ihren Dienst noch gut getan. Manche Klassen- und Unterrichtsräume hätten eine Renovierung deutlich nötiger gebraucht. Aber das liegt nicht in unserer Hand. Wir drehen weiter unsere Runde: hinauf zum Haus von Headmaster Charles oben am Hügel. Nicht weit davon das neue Wohnheim für die Jungs, das wir ukihis gebaut und finanziert haben, und dass noch gut in Schuss zu sein scheint. Die Hütten, in denen Annemarie und ihre kleine Tochter Catherine wohnen. Die Secondary School mit Library, dem Büro des Headmasters, Chemieräumen und Klassenräumen. Wir machen einen kleinen Umweg und besichtigen auch die Schweineställe, wo drei erwachsene aber relativ unterernährt aussehende Säue sich vor der Hitze im Schatten verkriechen. Das angrenzende Maisfeld. Viel gibt es momentan nicht zu tun: als wir wieder in der Hütte sind, ist auch das Rohr weg, welches die Wasserleitung darstellt, das wir verlegen sollen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als auf das späte Mittagessen um 14 Uhr zu warten. Es gibt Cassava – eine Wurzel, die frittiert und mit Ketchup oder Majo gegessen fast schmeckt wie Pommes. Eine Stunde später wird Jürgen endlich von seinem Drang nach Arbeit erlöst: zwei Jungs aus der Secondary stehen mit Schaufeln vor der Tür.
Wir können anfangen, den Graben zuzuschütten! Also rein in die Arbeitsklamotten und ran an die Schaufeln! Die ungewohnte körperliche Arbeit in der schwülen Hitze setzt uns allen zu. Trotzdem schaffen wir es fast, das Rohr vollständig einzubuddeln, bevor uns gegen halb sechs die tiefer sinkende Sonne zur Rückkehr mahnt. Eine Stunde bleibt uns, um zu duschen und uns für den Abend fertig zu machen. Wir vereinbaren mit Beatrice, der Direktorin der Primary School, dass sie uns am nächsten Morgen ihren Schülern vorstellt. Um acht Uhr, vor Beginn des Unterrichts, ist Morgenapell. Das heißt: wir müssen früher aufstehen! Der Aufmarsch der Schüler, die brav in Zweierreihen, nach Klassen geordnet, ihre Direktorin und die Lehrer begrüßen und das Vaterunser beten, wirkt fremd und zugleich faszinierend auf uns. Als sie gemeinsam die Nationalhymne Ugandas sowie die Hymne des lokalen Stammes singen, läuft uns ein Schauer über den Rücken. Dann dürfen wir uns vorstellen, und schließlich treten die Schüler – wiederum in Zweierreihen – geordnet in ihre Klassenzimmer ab.
Beatrice zeigt uns noch die Lehrerzimmer und beantwortet unsere Fragen zum ugandischen Schulsystem, das dem deutschen nicht unähnlich zu sein scheint. Grundschulllehrer müssen bis zu Secondary 4 die Schule absolvieren, danach zwei Jahre Praktikum machen, danach noch Examen und dann dürfen sie unterrichten. Wer Secondary-Lehrer werden möchte, muss hingegen zunächst die Secondary vollständig durchlaufen, bevor er auf der Universität sein Handwerk lernt und schließlich für ein Praktikum an die Schule zurückkehrt. Nach unserem Abstecher an die Schule heißt es erneut, die Schaufeln zu schwingen, um die Gräben komplett aufzufüllen. Paul und Asaaf, zwei ukihi-Straßenkinder, helfen uns nach Kräften. Gegen mittags sind wir fertig. Anschließend kann ich in meinem Gedächtnis kramen: wie hat das noch mal funktioniert, Leitung so zu vermessen, dass man sie später wieder findet? Anhand von Hausfluchten vermessen Anna, Jürgen und ich die neue Wasserleitung, die quer über die Wiese zwischen den zwei Schulen verläuft. Pünktlich zum Mittagessen (gegen 14 Uhr) sind wir fertig. Unser eigentlicher Auftrag, der Bau der Wasserleitung, ist erledigt… aber zu tun würde noch genug sein! Um aber z.B. mit der dringenden Reparatur der Moskitonetzte im Mädchenwohnheim zu beginnen, fehlt uns das Material. So beginnen wir, die mitgebrachten Geschenke zu sondieren und zu sortieren. Wir warten auf Godwin – den Inhaber des Reiseunternehmens, mit dem wir die Woche darauf auf Safari gehen wollen. “Nach dem Mittagessen” wollte er vorbeikommen, um sein Geld in Empfang zu nehmen. Eigentlich hätte er uns bereits nach unserer Ankunft in Kampala treffen wollen – aber ich hatte den Zettel mit seiner Telefonnummer verschlampt. Überweisungen sind in Uganda noch nicht wirklich gängig und laut Charles wohl auch ziemlich teuer. Lieber kommt man selbst vorbei oder man schickt einen Boten. Das “nach dem Mittagessen” ist dann gegen fünf Uhr. Godwin und sein Fahrer Mike machen einen guten Eindruck und erklären uns die Safari mit allen ihren Details. Er erklärt sich auch bereit, ein Hotel in Masaka für uns zu reservieren, wo wir im Anschluss an die Safari noch unsere Partnerschule besuchen möchten. So würden wir keine “Mzungu-Preise” zahlen müssen – also erhöhte Preise, wie sie Touristen meist bekämen, wenn sie selbst buchen. Nach Godwin’s Erklärungen und Ausschmückungen freuen wir uns alle schon sehr auf die bevorstehende Safari. Drei Tage wirklicher Urlaub! Leider können wir immer noch nicht wirklich arbeiten, um uns diesen zu verdienen. Die laufenden Examen halten Charles in Atem, so dass ihm zuwenig Zeit bleibt, die benötigten Materialien wie z.B. eine Rolle Moskitonetze und Latten zu besorgen. Da wir auch nicht nur “zuhause” im Guesthouse sitzen bleiben wollen, entschließen wir uns zu einem Einkaufsbummel in Mpigi. Das heißt: eine Stunde Marsch, 3km an kleinen Hütten vorbei bis zur Hauptstraße Kampala-Masaka und dem Dorf Kalagala, anschließend noch mal 2km weiter bis Mpigi, wo wir schon auf der Anreise Gemüse eingekauft hatten. Dort wollen wir im Supermarkt unsere Vorräte auffüllen und auch noch mal versuchen, unser Modem in Gang zu bringen, um via Internet mit der Außenwelt in Kontakt treten zu können. Schließlich hat Jürgen extra eine Webcam gekauft, um mit seiner Frau und seinen Kindern zuhause Skypen zu können! Charles möchte auf dem Marktzplatz auf uns warten und evtl. behilflich sein. Vielleihcht waren wir zu spät bzw. zu langsam gelaufen – als wir da sind, finden wir ihn nicht. Macht aber nix. Jürgen will Schuhe stoppen. Seine Sandalen haben den Geist aufgegeben. Er ersetzt sie durch ein hier übliches, aus alten Autoreifen gefertigtes Modell. Auch Judith schlägt zu und kauft ein schönes Kleid mit aus afrikanisch gemustertem Stoff. Im Supermarkt bekommen wir sogar kaltes Cola. Im angrenzenden MTM Store (die lokale Telefongesellschaft) versuche ich unser Glück mit dem Modem. Eine Angestellte ist sehr hilfreich und verkauft mir freundlich Airtime für mein Handy sowie eine neue Karte für das Modem mit 1GB. Die zweite Verkäuferin lungert derweil am Tresen und schläft. Sogar, als weitere Kundschaft den Raum betritt, rührt sie keinen Finger – in Europa undenkbar! Draußen hat es mittlerweile heftig zu regnen begonnen und wir sind froh, nicht draußen auf der Straße zu sein, wo sich sofort bildende Sturzbäche den weichen Boden aus roter Tonerde in Schlamm verwandeln. Meine Bedienung sowie ihr Kollege bemühen sich derweil, unser mitgebrachtes Modem mit der neuen Karte zum Laufen zu bringen. Ob es nur an der evtl. fehlenden Freischaltung liegt, dass das Modem nicht funktioniert? Der Angestellte möchte das gerne noch mit einem weiteren Modem prüfen. Nur leider ist im Laden (immerhin der örtlichen MTM-Vertretung!) keines vorhanden. So macht er sich auf den Weg nach irgendwohin, um eines aufzutreiben. Wir sollen später wiederkommen. Der Regen hat mittlerweile nachgelassen und wir bummeln die Straße auf und ab. Charles hat einen Bodaboda-Fahrer zum MTM store geschickt, der uns helfen soll, unser Wasser nach Jjanya zu transportieren. Jürgen fährt mit und verschwindet zunächst. Nach einem Bummel die Straße rauf und runter taucht er wieder auf – er war mit dem Fahrer, der wohl aus Kalagla stammt, genau dorthin gefahren, um dann wieder nach Mpigi zurück zu fahren (um nach uns zu schauen). So ganz trauen wir dem Fahrer nicht, ob er unsere Ware wirklich in Jjanya abliefern würde, wenn wir ihn alleine ließen. Sarah und Judith steigen gerne mit auf das Boda-Boda und fahren mit zurück nach Jjanya. Wir anderen treffen auf der Straße den Mitarbeiter von MTM, der uns unser Modem in die Hand drückt: wir sollen es noch mal probieren. Falls es nicht funktionieren würde, gäbe es eine Telefonnummer, wo man uns weiterhelfen könnte. Wir wundern uns – denn noch haben wir die Karte nicht bezahlt. Als wir wenig später beim MTM store vorbeigehen, kommt man auch sogleich rausgelaufen, um die ausstehenden 52.000 SHS einzutreiben. Ganz einverstanden sind wir nicht – schließlich wissen wir gar nicht, ob die Karte auch wirklich freigeschaltet ist! Denn natürlich hat man es nicht geschafft, ein weiteres Modem aufzutreiben, um zu checken, ob unseres ein Problem hat oder ob die Freischaltung nicht passiert ist. Wir einigen uns darauf, dass wir die Karte zurückgeben können, sollte diese nicht funktionieren, bezahlen und treten dann zu Fuß den Rückweg nach Jjanya an. Mittlerweile ist es ganz schön schwül geworden und wir sind froh, als wir nach etwas mehr als einer Stunde wieder in Jjanya sind. Dort wartet bereits unser Mittagessen auf uns – Krautsalat sowie frittierte Pfannkuchen, die man sowohl süß essen als auch gut mit dem Krautsalat kombinieren kann. Unser Material ist allerdings immer noch nicht da – und Jürgen wird wieder mal nervös, weil nix weiter geht. So gehe ich mit ihm zumindest mal hinauf, um den Fensterladen zu checken, der laut Headmaster Charles bei einem Gewitter zerstört worden war. Einige der Angeln sind beschädigt, und wir werden den Laden mit Latten flicken müssen. Zunächst wollen wir diesen ausbauen – was aufgrund der miserablen Qualität der verwendeten ugandischen Schrauben gar nicht so einfach ist. Einmal mit dem Schraubenzieher abgerutscht – und schon ist der Schlitz nicht mehr zu gebrauchen… mit viel Geduld und einer Beißzange gelingt es uns schließlich doch, den Laden auszubauen. Viel mehr können wir ohne Material nicht ausrichten.
Wir drehen noch eine Runde zum Jungs-Wohnheim – das luxuriöseste Gebäude auf dem Gelände und das einzige, in dem es sogar verglaste Fenster gibt. Hinter dem Gebäude finden wir auf einem Müllhaufen einen der fehlenden Fensterläden – aha, es würde also Sinn machen, zunächst das Gelände abzusuchen, bevor wir neue bauen! Wir sichern den dreckigen, ansonsten aber (bis auf kaputte Angeln) unbeschädigten Fensterladen. Inzwischen ist es Abend geworden, und wir begeben uns zurück in’s Guesthouse. Heute gibt es frittierten Fisch mit Pommes – eine echte Meisterleistung unserer Köchinnen, bedenkt man den Umstand, dass diese nur zwei einfache Holzkohle-Kochstellen zur Verfügung haben! Ein Telefonat mit Charles macht diesem klar, dass wir mittlerweile schon etwas ungeduldiger sind. Was unnötig ist – denn unser Material ist da! Morgen würden wir also loslegen können mit den Reparaturen der Fensterläden und Moskitonetze. Manche der Fenster im Mädchenwohnheim haben bereits Holzrahmen eingebaut, und nur das alte Moskitonetz ist brüchig bzw. rostig geworden. Hier ist die Arbeit einfach: wir müssen nur das alte Netz entfernen und neues einnageln. Schwieriger ist es dort, wo noch gar keine Netze in den Fenstern sind. Dort müssen wir überlegen, wie wir diese anbringen, ohne die Schülerinnen daran zu hindern, die außen angebrachten Fensterläden von innen schließen zu können. Denn andernfalls würde wohl die Bequemlichkeit überwiegen – und die Moskitonetze würden schnell Löcher haben, um nicht zum Schließen der Läden am Abend ums Gebäude rum laufen zu müssen. Schnell wird uns klar, dass unser Material nicht ausreicht: mit den wenigen vorhandenen Scharnieren können wir nicht alle Fenster mit zur Hälfte abklappbaren Netzen ausstatten. Auch haben wir keine passenden Schrauben – entweder sind sie zu lang oder zu kurz… und allesamt von der gleichen miesen Qualität wie schon die Exemplare vom Fensterladen, den wir tags zuvor ausgebaut hatten. Wiederum müssen wir Charles bitten, uns das nötige Material zu besorgen. Dieses Mal dauert es glücklicherweise nicht so lang. Wir haben genügend Helfer um uns rum. Gemeinsam mit den Wohnheim-Mädels und -Jungs wird gesägt, gehämmert und gebastelt. Immer wieder hören wir das dankbare “well done” – also “gut gemacht”. Auch wenn’s uns wie ein Tropfen auf den heißen Stein vorkommt – und wohl keiner von uns in dem Wohnheim wohnen wollte, auch nicht nach der Renovierung – man ist für jede Verbesserung dankbar. Das verwendete Holz ist viel härter als das, was wir aus Europa kennen. In Kombination mit minderwertigen Schrauben und Nägeln ist es sehr mühevoll, auch nur eine Schraube in die Bretter reinzuwürgen. Um z.B. einen Klappe aber stabil zu befestigen, braucht es acht Schrauben! Akkuschrauber gibt es nicht. Nicht nur einmal reden wir davon, wie schön es wäre, jetzt Bohrmaschine oder Stichsäge zur Hand zu haben… Hämmer haben wir zwei, die ständig in Beschlag sind und nie dort, wo man sie gerade braucht. Improvisationstalent ist immer wieder gefragt. Und dennoch: am ersten Tag haben wir bereits die eine Seite des Wohnheims mit vier neuen flexiblen Moskitonetzen ausgestattet. Insgesamt werden wir drei Tage brauchen, um zumindest das allernötigste zu flicken. Die hintere Seite des Gebäudes ist – sozusagen als zusätzliche Hürde – mit starren Vogelgittern ausgestattet, die ein dichtes Abschließen gegen Moskitos unmöglich machen. Außerdem müssen wir auch hier darauf achten, dass die Mädchen die Fensterläden von innen schließen können. Letztendlich sieht jedes Fenster anders aus, denn immer wieder kommen uns neue Ideen, wie man die Mechanik noch besser, noch stabiler, noch einfacher zu bauen… gestalten könnte. Eine Verbesserung sind die Netze in jedem Fall, denn vorher konnten die Moskitos quasi ungehindert in den Schlafraum fliegen. Jetzt können die Mädchen zumindest in der Dämmerung noch lüften, ohne die Läden dicht schließen zu müssen, was der Luft im Schlafraum sicherlich zugute kommen würde, die man sogar tagsüber als alles andere als frisch bezeichnen kann. Wir sind hochzufrieden, als wir es geschafft haben, am Samstag Mittag alle Fenster mit Moskitonetzen ausgestattet zu haben. Von Präzisionsarbeit kann nach europäischen Maßstäben nicht wirklich die Rede sein. Aber wir sind ja auch keine Profi-Fensterbauer! Eigentlich wollen wir Samstag etwas früher essen, um nachmittags noch in Ruhe nach Mpigi gehen zu können und dort einige Besorgungen zu machen und auch E-Mails im Internetcafe zu schreiben. Doch schon als wir unseren Arbeitsplatz aufräumen, die restlichen Latten und die Werkzeuge wie jeden Tag in der Bibliothek verstauen und unseren Rückweg zum Guesthouse antreten, ziehen dunkle Wolken auf und es beginnt zu tröpfeln. So ist es bereits halb drei, als wir nach Mpigi losmarschieren. Am Ortseingang sind sehr viele Menschen unterwegs. Unser erster Gedanke ist: Waschtag! Aber schnell merken wir, dass es sich um so was wie nen Wochenmarkt handelt. Afrikanische Tücher und Kleider, T-Shirts und Hosen, aber auch Elektroartikel wie Taschenlampen und Radios und Klimbim wie Spiegel und Kämme werden feil geboten. Die erste in Mpigi: Bargeld abheben. Dass die Stanbic Bank tatsächlich einen Geldautomaten besitzt, war uns beim letzten Mal gar nicht aufgefallen, ist dieser doch in einer kleinen bewachten Kabine neben der Bank versteckt. Der Geldautomat scheint jeden Schein zweimal zählen zu müssen – die Maschine rattert bestimmt zehn Mal, bevor sie mir die angeforderten 500.000 SHS auszahlt. Immerhin, ich bekomme Geld! Beim Höchstbetrag von 700.000 SHS hatte die Maschine vorher noch gestreikt. Ob der Grund war, dass nicht genug Geld drin ist?? Die Mädels nach mir haben weniger Glück. Nur Anna bekommt immerhin 100.000 SHS. Die Bank gegenüber nimmt scheinbar nur eigene Kundenkarten, weder Visa noch Maestro noch Mastercard funktionieren. Wir würden wohl doch auf unserem Weg zur Safari unser Glück versuchen müssen! Nach mehreren Versuchen schafft es der Inhaber des benachbarten Internetcafes sogar, eine Verbindung zustande zu bringen. Nur die Maus funktioniert nicht richtig, was das Surfen bzw. E-Mail abrufen nicht wirklich einfacher macht. Auch die mit 100 Mbit/s angegebene Verbindungsgeschwindigkeit wird “nicht ganz” erreicht… eine(r) nach dem anderen erledigt E-Mails, die anderen warten oder gehen noch etwas im Supermarkt stoppen.. Und Anna probiert noch mal, ob der Automat vielleicht jetzt gnädiger ist als vorhin, und Geld ausspuckt. Und tatsächlich – sie bekommt ihre 500.000 SHS! Auch Jürgen kann jetzt mit seiner normalen EC-Karte Geld abholen, so dass wir alle drei zufrieden und glücklich sind. Auch unsere Cola- sowie Klopapier-Vorräte haben wir wieder aufgefüllt. So langsam wird es immer später, und erst gegen zwanzig vor sechs hat die Letzte ihre E-Mails gecheckt und wir können aufbrechen. Noch eine kurze Verhandlung, was wir für das Surfen und die beiden Ausdrucke würden bezahlen müssen. Zum Glück lässt sich Jürgen nicht über den Tisch ziehen, was uns 1000 SHS spart. Anna und Judith wollen lieber Boda-Boda fahren; Jürgen, Sarah und ich beschließen, zurück nach Jjanya zu laufen. Da wir fast eine Stunde Weg vor uns haben und nicht im Dunklen gehen möchten, beeilen wir uns und sind tatsächlich noch in der Dämmerung wieder zurück in Mpigi. Judith und Anna, die eigentlich noch auf den Markt hätten gehen wollen, sind schon da und es riecht nach gegrilltem Hähnchen. Was gibt es schöneres, nach einer Stunde strammem Fußmarsch! Das Essen, das Teddy und Annemarie uns mit einfachsten Mitteln (Holzkohlegrills und einfache Aluschüsseln) zaubern, schmeckt mal wieder köstlich! Mittlerweile haben wir herausgefunden, dass sich Headmaster Charles mit einer Flasche Pils locken lässt, falls wir was zu besprechen haben. Heute jedoch bleibt er weg, und wir sind alle müde und gehen früh zu Bett. Gegen zwei Uhr nachts fängt es zu regnen an. Auf dem einfachen Wellblechdach erzeugt selbst leichter Regen heftige Geräusche, und so ist unser Schlaf in dieser Nacht meist leicht. Am nächsten Morgen – heute ist Sonntag – regnet es immer noch. Ungewöhnlich, denn frühere Schauer, die wir schon erlebt hatten, waren meist nach einer halben Stunde vorbei gewesen. Zum ersten Mal erscheinen Teddy und Annemarie nicht, um uns Frühstück zu machen. Ob es am Regen liegt? …Irgendwie fehlt uns die Motivation, selbst heißes Wasser zu machen – für die beiden Köchinnen bestimmt die leichteste Übung. So bleibt es bei lauwarmem Kaffee mit dem restlichen Wasser des Vortags. Auch der Toast ist heute nicht knusprig! Aufgrund des Regens fängt laut Hedmaster, der gekommen ist um sein Bier abzuholen, auch die Kirche später an. Als der Regen eine Stunde später etwas nachlässt, erklingt wenig später in der Tat ein Trommeln – das Zeichen, dass wenig später die Kirche beginnen würde. Aber etwas Zeit bleib uns noch. Ein zweites Trommeln würde erklingen, sobald es soweit sei, erklärt Teddy. Als wir oben ankommen, sind unsere sauberen Hosen schon wieder von der schlammigen Tonerde verklebt. Noch ist das Gebäude so gut wie leer. Die Messe beginnt mit eindrucksvollen, sehr musikalischen Gesängen des Kirchenchors, der vom Kantor angeleitet wird, wann der Einsatz ist. Zwischendrin Lesungen und schließlich die eindrucksvolle Predigt des Pfarrers. Mit ausdrucksvollen Gesten und Untermalungen bringt dieser die Gemeinde abwechselnd zum Lachen, dann schlägt er wieder nachdenkliche Töne an. Nur schade, dass wir kein Wort verstehen! Zum Schluß kommt noch die Gemeinde zu Wort. Verschiedene Personen halten kurze Ansprachen, Kollekten werden gesammelt. Wir werden kurz von Headmaster Charles begrüßt und in der Kirche willkommen geheißen. Als alles zu Ende ist, müssen wir zahlreiche Hände schütteln – jeder will kurz ein Wort mit den “exotischen “ Muzungi wechseln. Es ist schon halb eins, als wir wieder zurück im Guesthouse sind. Mittlerweile ist es schön warm geworden und die Straßen trocknen langsam ab. Wir würden unseren “Bushwalk” wie geplant durchführen können. Sehr gerne möchten uns die Kinder ihre Heimat, die Pflanzen und Wege ihrer Umgebung zeigen. Mit einem Tross von über 50 Kindern ziehen wir schließlich los. Sie nehmen uns an der Hand und zeigen uns die Sehenswürdigkeiten in der Umgebung: Brunnen, Kaffeeplantagen, Schleichwege… und erklären die vielfältige Pflanzenwelt Ugandas. Und sie möchten wirklich jede Kleinigkeit wissen über Deutschland: welche Tiere dort leben, welche Pflanzen wachsen, wie hoch die Berge sind, welche Bodenschätze es gibt… die Wissbegier nimmt gar kein Ende! Zielgerichtet führen uns die Kids zu einem kleinen Laden in Jjanya, wo es auch Süßigkeiten zu kaufen gibt. Wahrscheinlich wissen sie von ihren Ausflügen mit früheren Gruppen noch sehr gut, dass wir dort bestimmt einige Kleinigkeiten für sie einkaufen würden, was wir dort natürlich auch tun. Verteilt wird allerdings erst, als wir zurück an der Schule sind. Ein Schüler zeigt uns noch stolz die Pflanzen, die als Nahrungsmittel für die Secondary School angebaut werden. In den Ferien und an den Wochenenden ist es Pflicht der Straßenkinder, sich um diese Pflanzen und auch um die Schweine und Ziegen, die gezüchtet werden, zu kümmern.
Es ist Montag, die erste Woche liegt hinter uns – und wir haben jetzt drei Tage wirklichen Urlaub! Es geht auf Safari. Und das heißt: früh aufstehen. Um sechs Uhr will unser Guide und Driver von Kampala aus losfahren, d.h. so gegen sieben sollte er hier in Jjanya sein, um uns abzuholen. Zwar rechnen wir “nicht wirklich” damit, dass er pünktlich auftaucht…. Und sind recht erstaunt, als punkt sieben das Telefon klingelt. Es ist Godwin, der Chef von Mamaland Safaris, der uns informiert, dass auf der Straße von Kampala nach Mpigi ein schwerer Unfall passiert sei und dass Mike deswegen etwas später dran sein würde. Nach nur 20 Minuten steht er schon da. Wir beladen das Auto und sind nur wenig später schon mit einem Bein auf der anderen Seite der Erde. Sprich: am Äquator! Dieser kreuzt nur ca. 30km südlich von Mpigi die Hauptstraße von Kampala nach Masaka. Er ist durch ein Monument per Straßenseite markiert – hier kann man einfach nicht vorbei fahren, ohne das obligatorische Touristenfoto zu machen! Eben das mit einem Bein auf der Nordhalbkugel, und eins auf der Südhalbkugel. Aber unser Ziel ist ja der Queen Elizabeth National Park – und der ist sechs Fahrstunden entfernt, also noch ziemlich weit weg! Also weiter. In Masaka steuern wir noch kurz unser Hotel an, in welches wir am Mittwoch auf der Rückfahrt von der Safari mit einigen unserer Straßenkinder einquartieren wollen, dem Tropic Inn. Es ist das erste Haus am Platz – Drei Sterne, mit Pool und ansprechenden Außenanlagen… für die Straßenkinder ein Erlebnis, das sie so schnell nicht vergessen werden! Wir reservieren vier Doppelzimmer zusätzlich zu denen, die Godwin von Mamaland Safaris schon vorgebucht hat. Die weitere Fahrt führt uns zunächst durch eine lange Baustelle. Die Straße wird Stück für Stück instandgesetzt, es ist die Hauptstraße des Landes. Verbindet sie doch nicht nur Kampala und Masaka, sondern auch Uganda in Richtung Norden mit dem Sudan und südlich mit Ruanda. Vorbei am Lake Mburo National Park. Obwohl wir nicht in den Park einfahren, gibt es die Chance, Zebras zu sehen. Und tatsächlich: direkt neben der Straße grasen einige Tiere friedlich neben den Kühen und Ziegen der angrenzenden Dörfer. In Mbarara machen wir Station zum Lunch. Das Oxford Inn ist ein recht nobles Restaurant, und Jürgen bestellt Pizza – so ganz schmeckt ihm wohl das Afrikanische Matooke noch nicht! Frisch gestärkt fahren wir weiter in Richtung Nationalpark. Die Landschaft wechselt – von tropischem Regenwald über trocken amutende Savannenlandschaft gelangen wir schließlich in eine Region, in der Tee angebaut wird. In den akkurat angelegten Teefelder ernten elegant gekleidete Ugandische Frauen die frischen Blätter. Wahrscheinlich gehören die Felder zur teeverarbeitenden Firma Igara, die unübersehbar an der Straße Werbung für ihre Produkte macht. Am kleinen Büro im Kalinzu Forest checken wir in den Park ein. Von hier würde übermorgen auch die Wanderung starten, auf welcher wir hoffentlich Schimpansen zu sehen bekommen würden! Nach wenigen Kilometern dicht gesäumt von Dörfern mit Schildern, die zu weitaus nobleren Lodges weisen wie die Häuser am Straßenrand, fällt die Landschaft plötzlich steil ab und vor uns breitet sich ein weites Tal aus, dessen Anblick in der tiefen sanften Abendsonne uns den Atem nimmt.
Der Nationalpark! Er liegt in einer Tiefebene des großen afrikanischen Grabenbruchs. Wir schrauben uns hinunter – und in der ersten Kurve entdecke ich unter uns auf der Straße einen Elefanten, der gerade die Straße überquert. Wir sind begeistert, haben doch Jürgen und Anna noch nie vorher einen “live” gesehen! Bis wir unten sind, ist das Tier leider hinter Bäumen verschwunden. Jürgen meint, noch ein Ohr ausgemacht zu haben. Wir biegen links ab auf eine Schotterpiste in Richtung Ishasha. Der Wegweiser zeigt 70km, und ich wundere mich, wieso wir nicht “außenrum” gefahren sind – also außerhalb des Nationalparks – denn Mike brettert durch den Park, ohne links und rechts zu schauen. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Tiere wir hätten sehen können, wenn wir langsamer gefahren wären! Aber der Weg bis zur Lodge ist noch weit, und zwischendurch bremsen uns immer wieder tiefe Schlaglöcher aus.
An einer Baustelle, wo eine neue Brücke über einen Fluß entsteht, hocken Baboons und schauen interessiert den Arbeitern beim Buddeln zu. Wir entdecken einige Impalas entlang des Weges. Ansonsten begegnen uns leider keine größeren Wildtiere. Kein Wunder – denn die Straße geht zwar mitten durch den Park, wird aber nicht nur von Tierfreunden und Besuchern befahren, sondern auch von Lastwägen und natürlich den Anwohnern des Parks benutzt. Immer wieder rattern riesige Trucks an uns vorbei. Aber auch Fußgänger mit Holzkohle am Kopf und Bauarbeiter auf dem Weg nach Hause in ihr Dorf. Nach fast zwei Stunden anstrengender Holperfahrt im Bus mit nicht mehr viel existierender Federung gelangen wir endlich an die Abzweigung, die uns zu unserem Camp führen soll. Dieses wurde uns von Godwin als “very Basis” beschrieben. Wir sind gespannt. Zunächst müssen wir noch einen Sumpf passieren. Es führt zwar ein Weg hindurch, der aber von andauernden Regenfällen schon so gut wie unpassierbar geworden ist. An einem Wasserloch kracht es grausam von unten – wir sindaufgesessen. Aber der Bus fährt noch, und es scheint so, als wäre nicht viel passiert. Im Camp werde wir herzlich willkommen geheißen, und zeigt man uns zunächst die zwei verschiedenen Arten von Zelten. Die eine heißt “luxury tent”, Luxuszelt also. Hierbei handelt es sich um ein auf dem Boden stehendes Zelt mit hinten angebauter Dusche. Die elevated tents stehen unten am Fluß und sind deshalb auf Stelzen gebaut; mit Vorbalkon und ebenfalls mit angebauter Dusche. Scheinbar steht noch nicht fest, welche Kategorie für uns vereinbart worden ist, denn zunächst werden uns Drinks angeboten, die wir unter der schattigen Lunch Zone genießen. Dann steht fest, dass wir die erhöhten Zelte bekommen werden. Jürgen schläft wieder alleine; ich mit Anna zusammen in einem Zelt. Wir machen uns kurz frisch und brechen zu einem kleinen Rundgang durch die Anlage auf, die am … River liegt. Leider ist momentan der Lunchplatz direkt am Fluß aufgrund des Hochwassers unbenutzbar – es ist Regenzeit. So langsam bekommen wir Hunger. Wir werden mit Avodado als Vorspeise sowie einer vegetarischen Hauptspeise und Mango und Ananas als Nachtisch reichhaltig versorgt. Nachts genießen wir den Regen, der hier aufgrund der reetgedeckten Dächer nur sanft auf unsere Hütten klopft und nicht wie in Jjanya, wo wir Wellblechdach haben, klingt als würde gleich das Haus einstürzen… Allerdings scheint der Regen doch nicht so sanft gewesen zu sein, wie wir annehmen. Mike begrüßt uns zum Frühstück mit besorgtem Blick. Ob wir hier wohl wieder rauskommen würden, nach noch mal zusätzlichem Regen? Vorsorglich werden wir von Betty, der Leiterin des Camps sowie einem weiteren Mitarbeiter begleitet. Sie hat Gummistiefel dabei… schon in der ersten größeren Pfütze bleiben wir stecken. Die Männer schaffen es aber, den Bus wieder aus dem Wasser zu schieben, und nach einigen Orglern des Anlassers springt er auch wieder an. Also weiter. Leider ist es nicht bei einer großen Pfütze geblieben. Nur ein paar Meter weiter – noch über einen Kilometer von der Hauptstraße entfernt – fahren wir in ein gar nicht so tiefes Loch, wo urplötzlich der Bus einfach ausgeht. Dieses Mal hilft kein Orgeln. Ein Blick in den Motorraum unter dem Beifahrersitz offenbart: Wasser ist eingedrungen… der Anlasser macht nur noch “klick”, kein Mucks. Ratlosigkeit… einige Telefonate… Mike scheint Godwin nicht zu erreichen… Ratschläge hier; kluge Blicke dort… was tun? Wir drei Gäste erkunden derweil den Weg, zumindest bis zur nächsten tieferen Wasserpfütze. Ein Geländewagen kann durchfahren, versinkt aber trotz mehr Bodenfreiheit bis übers Bodenblech. Und wir haben einen Bus! Ich vermute, dass dort für uns kein Durchkommen sein würde, selbst wenn der Wagen wieder anspringen würde. Wir beschließen, zumindest bis zur Straße zu gehen, um noch etwas von der Gegend zu sehen. Wenig später eilt uns Betty hinterher – einerseits, um uns den besten Weg durch die Pfützen zu zeigen, ohne selbst patschnasse Füße zu bekommen. Aber auch, um uns mitzuteilen, dass die Männer wohl beschlossen haben, den Bus bis zur Straße zu schieben. Wir sollen wieder einsteigen. Und kommen uns dabei ziemlich blöd vor, fast wie in einem Divan. Letzendlich steigen wir doch wieder aus und gehen selbst. Der Bus ist uns dicht auf den Füßen, sogar einen kleinen Abhang hoch. An der Hauptstraße angekommen ist es nicht mehr weit zum Ishasha Gate, einem Eingang zum Park. Mike hofft, dort einen Fahrer für uns auftreiben zu können, damit wir zumindest unsere für nachmittags geplante Bootsfahrt noch würden antreten können. Für die Morgen-Pirschfahrt war es mittlerweile schon zu spät geworden. Wir vertreiben uns die Wartezeit damit, in Ruhe die schönen Kala (?)-Antilopen zu studieren, die nebenan im Gras weiden und gehen schließlich die letzten paar Meter bis hinauf zum Gate. Nach einer weiteren halben Stunde kommt tatsächlich ein Auto, das uns weiter fahren kann. Wir laden unser Gepäck um und quetschen uns zusammen mit Mike und Fahrer Vincent in den Toyota, der immerhin ein Schiebedach hat. Als Ersatz für das aufklappbare Safari-Dach unseres Busses! Wir fahren den gleichen Weg zurück, den wir gestern abend gekommen waren, in Richtung Kazinga Channel. Wundern uns, wieso der Fahrer bei jedem vorbeikommenden Auto anhält und mit dessen Fahrer quatscht – und finden es letztendlich raus. Bei der ersten Pfütze denken wir uns noch nichts – schließlich wissen wir, dass es nachts geregnet hatte. Als aber irgendwann der gesamte Weg überspült wird und Vincent nur noch ertasten kann, ob sich irgendwo tiefere Löcher auftun, begreifen wir, dass das in der Tat nicht nur “ein bisschen” Regen gewesen ist, letzte Nacht. Anna spricht von Katastrophentourismus, während wir uns Meter für Meter durch die Fluten tasten. Neben uns watet ein Mann durchs Wasser, hier scheint es nur Knöcheltief zu sein. Einen halben Meter weiter jedoch steht der Mann bis zur Hüfte in den Fluten! Vincent muss höllisch aufpassen, nicht selbst in so ein Loch zu fahren und seinen Wagen nicht zu versenken. Schließlich ist es nur ein einfacher Personenwagen! Nach einigen Minuten ist das Unglaubliche geschafft, und wir haben die Fluten hinter uns gelassen. Wenige Kilometer weiter können wir schon gar nicht mehr glauben, wo wir gerade gewesen sind – hier ist alles staubtrocken. Wir überqueren die Brücke über den Kazinga Channel, der den Lake Edward mit dem Lake George auf 40km Länge verbindet und 8m tief ist. Auf der anderen Seite wieder ein Gate. Vincent hält an und öffnet die Motorhaube – sein Motor ist heißgelaufen. Er stellt fest, dass ein Ventilator nicht mehr funktioniert. Wahrscheinlich war auch in seinen Wagen Wasser eingedrungen und hatte eine Sicherung zerstört. So können wir nicht weiterfahren… Es ist nicht mehr weit bis zur Mweka (?)-Lodge, einer wahren Luxusherberge mit über 100 Betten, mitten im Park, den Kanal sowie Lake Edward überblickend. Dort legt auch das Boot ab, von welchem aus wir eine Fluß-Pirschfahrt machen sollten. Schnell ist ein weiteres Auto organisiert, das uns zur Lodge bringt. Unser drittes…. Von einem Aussichtsplatz nicht weit von der Lodge überblickt man Lake Edward sowie den Kazinga Channel. Auf der anderen Kanalseite grasen friedlich Elefanten. Im Wasser baden nebeneinander ein paar Hippos und Büffel. Ein Bild des Friedens! Am jenseitigen Ufer des Lake Edward kann man hinter diesigem Himmel bis in die Grenzgebirge des Kongo schauen. In der Lodge angekommen, bleibt uns schließlich nicht mehr allzu viel Zeit zum Bummeln und um die Anlage zu inspizieren. Wir können noch kurz ein paar Souvenirs und Postkarten kaufen, bevor das Boot pünktlich um drei Uhr ablegt. So recht wohl wollen wir uns in den luxuriösen Räumen auch nicht fühlen… überall Muzungu, die über ihren Bieren sitzend allzu dekadent diskutieren, wohin wohl die nächste Abenteuerreise führen sollte… die süßen Squirrels (rattenähnliche Streifenhörnchen), die vor der Lodge rumwuseln, sind uns schon lieber! Vor dem Schiff sitzt schon das erste wilde Tier: ein Waran, der uns nicht allzu freundlich begrüßt und anzischt. Wir setzen über den Fluß, zu dem Strand, an dem vor einer halben Stunde noch Elefanten gebadet hatten. Diese sind leider in den Büschen verschwunden und nicht mehr zu sehen – aber immer noch baden Büffel, Hippos, Störche und die verschiedensten Vogelarten friedlich nebeneinander. Hippos und Büffel seien beide Vegetarier, erklärt unser Guide – damit gibt es keine Probleme, weil keiner den anderen fressen will! Auf der langsamen Fahrt entlang des Ufers ist viel Zeit, in Ruhe die verschiedensten Vögel zu studierern. Auf den Rücken der Büffel pickt eine Spechtart Ungeziefer von den riesigen Tieren. Farbenprächtige Kingfisher flattern vorbei. Und die Möwen umschwirren die Marabu-Störche nicht etwa aus Bewunderung (sooo hübsch sind Marabus nicht…): nein – sie bringen die Tiere zum Würgen, bis diese die erbeuteten Fische wieder ausspucken -und essen diese dann selbst. Weiter vorne erspähen wir in der Tat einen Elefanten im Gras. Das Boot vor uns ist schon dort. Einer Frau – anscheinend Wienerin, wie sich aufgrund ihres Dialekts zweifelsfrei bestimmen lässt – mosert lautstark, ob wir denn nicht schneller fahren könnten, um auch beim Elefanten zu sein. Die Hippos und die Vögel waren ihr wohl in der Zwischenzeit schon langweilig geworden. Wahrscheinlich hat sie selbst in der noblen Mweka-Lodge noch was auszusetzen… aber wir lassen uns davon gar nicht aus der Ruhe bringen. Nur wenige Meter vom Elefanten entfernt, können wir diesen genau betrachten, wie er ruhig am Ufer grast und sich seinen Rücken am Baum reibt. Scheinbar war er vorher nicht beim Waschen dabei gewesen! Ein zweites Tier taucht auf. Die riesigen Kolosse wackeln mit den Ohren, um sich Kühle zuzufächern. Schließlich fahren wir weiter in Richtung Lake Edward. Wir kommen an einem kleinen Dorf vorbei, wo die Hütten ähnlich arm aussehen wie bei uns “zuhause” in Jjanya. Unser Guide erklärt, dass die Leute dort von der Fischerei leben würden. Manche haben Jobs im Nationalpark. Ihre Währung aber, mit der sie andere Waren wie Matooke, Tomaten oder auch Fleisch beziehen, sei der Fisch. Im Kanal dürfe man nicht fischen – nur in den beiden angrenzenden Seen. Im Ufer beim Dorf baden Kinder. Der See ist frei von Billiharziose. Aber er ist nicht frei von den gefährlichen Hippos! In wenigen Metern Abstand badend, scheinen die Kinder keinerlei Gefahr ausgesetzt zu sein und planschen fröhlich neben den riesigen und auch gefährlichen Tieren! Zurück an der Anlegestelle erwartet uns bereits das Auto, welches wir am Gate hatten zurücklassen müssen. Die durchgebrannte Sicherung konnte repariert werden. Auf der viel zu schnellen Rückfahrt passieren wir weitere Elefantenherden, Waserböcke und Buschböcke. Unsere Guides wollen uns unbedingt noch die Löwen zeigen, damit wir zufrieden sind und uns wegen der Kletterlöwen, die wir aufgrund unseres “Wasserschadens” nicht hatten sehen können, nicht enttäuscht sind! Wir fahren in Richtung Lake George, vorbei an einem Kratersee, der übersetzt “Schlecht riechendes Wasser” heißt, da Schwefeldämpfe aus diesem aufsteigen. Heute geht der Wind glücklicherweise in die andere Richtung, so dass wir ungestört die Szenerie mit den Rwenzori-Bergen im Hintergrund bestaunen können. Unsere Guides wollen zum Paarungsplatz der Löwen fahren, der nicht mehr weit ist. Und tatsächlich steht schon ein weiteres Auto am Straßenrand: der braune Fleck dort hinten, das ist ein Löwe! Er liegt meist bewegungslos im Gras. Nur wenn er sich mal wendet, stehen die Pfoten in der Luft. Links daneben ist ein weiterer heller Fleck zu erkennen – das seien Löwinnen, die mit dem Bauch nach oben relaxen. Noch weiter hinten schleichen zwei weitere Tiere vorbei. Wir warten gespannt, ob was passiert. Auch die nicht weit entfernt grasende Impala-Herde ist in höchster Anspannung. Mitten in der Herde taucht schließlich ein Nilpferd auf. In der trockenen Savannen-Wiese ein fast schon surreales Bild, wie sich das massige Tier langsam von rechts nach links über die Bildfläche bewegt. Die Löwen stört das alles nicht – sie scheinen schon zu Abend gegessen zu haben. Im Gegensatz zu uns! Es wird immer dunkler, und unsere Augen brennen schon von der Beobachtung der Tiere. Mike möchte uns noch gerne ein Fischerdorf beim Lake George zeigen. Dort leben Fischer in kleinen ärmlichen Hütten, meist fern von ihren Familien, nur zum Arbeiten. Es ist schon 20 Uhr und stockdunkel, als wir in der Lodge einchecken. Diese ist großzügig gebaut, mit offenem reetgedecktem Dach. Die riesige Eingangshalle und Restaurantbereich wird nur spärlich von einigen Energiesparlampen beleuchtet. Schade, denn die Einrichtung wirkt sehr geschmackvoll und sauber. Die Eincheck-Prozedur zieht sich, und bis wir alle in unseren ebenfalls sehr schönen, großen Hütten eingezogen sind und uns frisch gemacht haben, ist es bereits 21 Uhr. In den Hütten durchquert man zuerst ein riesiges Badezimmer, dass sich zwar (theoretisch) durch eine Flügeltür vom Schlafzimmer abtrennen lässt. Da der Riegel aber wieder mal kaputt ist, wird es wohl nicht so intim werden, falls einer mal aufs Kloo muss! Schade, dass keine Zeit mehr bleibt, die riesige Badewanne auszuprobieren, von welcher aus man bei Tag den Panoramablick über Lake George genießen kann. Am nächsten Tag heißt es: früh aufstehen, da unsere Schimpansenwanderung bereits um 8 Uhr beginnen soll und wir vorher noch eineinhalb Stunden zu fahren haben würden. Gegen 5:30 klingelt der Wecker. Der ebenfalls auf 5:30 bestellte Weckruf kommt zehn vor sechs… und das auf sechs Uhr bestellte Frühstück kommt um viertel nach sechs. Aber wir sind ja in Afrika! Dennoch schaffen wir es rechtzeitig bis zur Kazinga Lodge – sogar inklusive kurzem Fotostop am See, wo gerade die Sonne kitschig-rosa aufgeht. Mit unserer Guidin Rachel tauchen wir ein in den Regenwald. Keine Lichtung lässt Licht ins Dickicht; die feuchte Luft lässt eine Fauna entstehen, die ganz anders ist als “unten” in der Senke des Nationalparks. Immer wieder erklärt uns Rachel wissenswertes über die verschiedenen Beeren, die Nahrungsgrundlage für Schimpansen, Baboons und andere Affenarten sind, welche dort im Regenwald leben. Nur die Affen selbst machen sich rar. Einmal erblicken wir kurz einen der Weißbauch-Affen – aber keine Schimpansen. Ich genieße die feuchte Luft, sauge die fremdartigen Gerüche und Umgebung in mich auf. Nur ein paar Geräusche einer Motorsäge stören die Atmosphäre.
Wir streichen schon seit zweieinhalb Stunden kreuz und durch den Dschungel, als schließlich ein weiterer Guide mit Machete in der Hand auftaucht. Er hätte die Schimpansen gesichtet und sei ihnen gefolgt. Scheinbar hat er eine Idee, wo diese sich aufhalten könnten. Rachel findet Spuren: zerrissene Blätter, einzelne fallengelassene Beeren. Wir hätten diese Spuren nie gesehen geschweige denn für wichtig erachtet! Aber natürlich wissen unsere Guides ganz genau, was sie tun. Nach wenigen Metern, die uns per Machete gebahnt werden müssen, erspähen wir tatsächlich den ersten Schimpansen. Man muss schon genau den richtigen Winkel erwischen, um das Tier ganz oben im Baumwipfel zu erkennen! Dichtes Blattwerk erschwert die Sicht und er ist nur als schwarzer Fleck erkennbar. Von einer anderen Stelle aus kann ich dann doch sein Gesicht sehen. Und dann kommt noch einer – der Guide winkt mich heran, aber vorsichtig, leise! – um die Tiere nicht zu verschrecken. Gemütlich lungern die Schimpansen in einer Astgabel und knabbern an Blättern herum. Manchmal scheint es mir, als würden eher sie uns beobachten als umgekehrt. Ich erhasche ein paar direkte Blickkontakte mit “Georgie”, einem der größeren Männchen. Auch das Leittier ist anwesend und schaut belustigt auf die Muzungi, die wild mit ihren Kameras herumfuchteln. Nach einer Stunde bei den Schimpansen blasen die Guides zum Aufbruch. Wir können uns nur schwer losreißen von den lieben Tieren, brechen dann aber doch schweren Herzens auf. Nach wenigen Metern durch dichtes Unterholz kommen wir auf einen Breiten Weg; und oben an der Straße holen uns bereits Vincent und Mike mit dem Auto ab. Es geht zurück in die Zivilisation. In Mbarara möchte uns Godwin treffen, der Inhaber des Safariunternehmens. Wahrscheinlich will er sich noch mal für die Unannehmlichkeiten wegen des Regens entschuldigen – und natürlich sicherstellen, dass wir sein Unternehmen auch weiterempfehlen! Kann er doch ein viel besseres Geschäft machen, wenn wir Deutsche bei ihm direkt buchen, anstelle sich als Subunternehmer von Europäischen Safari-Veranstaltern anheuern zu lassen! Bei einem leckeren Pfeffersteak in Mbarara im Oxford Inn versichern wir ihm, dass wir die Tage sehr genossen haben. Weiter geht die Fahrt nach Masaka, wo bereits Judith und Sarah zusammen mit der Bibliothekarin und ihrem kleinen Baby sowie zwei Schülern und zwei Schülerinnen und natürlich Johnboy, dem Fahrer, im Tropic Inn eingecheckt haben. Die Prozedur war wohl gar nicht einfach – wollen wir doch möglichst nicht so viele Einzelzimmer zahlen. Aber selbstverständlich darf ein fremder Mann nicht mit einer Frau ins Zimmer! Johnboy bekommt also ein Einzelzimmer, die Bibliothekarin geht zu den Schülerinnen. Alles hat seine Ordnung. Unsere Zimmer sind bereits von Godwin bezahlt worden – sozusagen als Ausgleich für den verlorenen halben Tag. Am Telefon stelle ich mich Schwester Agnes vor. Sie leitet das Projekt in Masaka, das auch von ukihi unterstützt wird, und welches wir am folgenden Tag besuchen möchten. Da ich nur wenig über dieses Projekt weiß, wir uns noch nicht kennen und die Telefonleitung sehr instabil ist, ist es schwierig, ihr klar zu machen, wovon ich spreche. Norbert schreibt, das Projekt heiße “Upflift Vulnerable Child und noch was …“ – was mir keine große Hilfe ist. Erst nach dem Telefonat mit Margaret wird mir klarer, wie das Projekt aufgebaut ist: “Uplift Vulnerable Children and Orphans” ist nicht etwa eine Schule, sondern ein Projekt, das sich um Waisen und Straßenkinder kümmert. Die Kinder, die oft verstört sind und nicht wissen, wo ihr Zuhause ist, werden dort aufgenommen und bekommen Liebe und Zuwendung, sowie ein Dach über dem Kopf. Schließlich kümmert sich die Organisation auch darum, dass die Kinder wieder zur Schule gehen und schickt diese in die umgebenden Schulen. Kinder, die nicht zur Schule gehen wollen, bekommen z.B. im “Tailoring Project” Arbeit. In einer mit mehreren Nähmaschinen und Strickmaschine ausgestatteten Werkstatt werden dort Schuluniformen genäht und Pullis gestrickt, die dann an Schulen weiterverkauft werden und so das Gesamtprojekt mitfinanzieren. Ein Problem, so erklärt Margaret beim gemeinsamen Abendessen, sei, dass die Kinder fast magisch von der Straße angezogen würden und immer wieder ausreißen würden. Deswegen sei man gerade dabei, außerhalb der großen Stadt Masaka auf dem Dorf eine Unterkunft zu bauen. Zu dieser gehört auch ein kleines Feld, wo Matooke angebaut wird. Außerdem hätte man einen kleinen Wald gekauft, um dort Setzlinge anzuziehen und damit zusätzliches Geld zu verdienen.
Im Hotel erfreuen sich derweil unsere Straßenkinder des für sie ungewohnten Luxus. Für einige von ihnen würde das wohl der einzige Aufenthalt in einem so noblen Hotel bleiben. Sie plantschen ausgelassen im Pool und können es gar nicht glauben, einfach so überall hin gehen zu können…. Unsicher bewegen sie sich in den Anlagen. Können es gar nicht glauben, dass es beim Buffet so viel zu essen gibt, bis sie keinen Hunger mehr haben. Und dann die königlichen Betten mit den luxuriösen Matratzen und Bettdecken! Das Bad, mit fließendem Wasser und Toilette mit Spülung! Viele haben so was zum ersten Mal gesehen. Mit diesem Aufenthalt wollen wir den Kindern einen Ansporn geben, ihr Leben in die Hand zu nehmen und einen gesunden Ehrgeiz zu entwicklen, um zu lernen und aus ihrem Leben was zu machen. Nach dem reichhaltigen Buffet, zu dem auch Margaret und die Helferin Madrine kommen, büxen Sarah, Judith und die Schüler noch in die angrenzende Disco aus, was bei der Bibliothekarin für einige Aufregung sorgt. Die Kinder, die eigentlich bei ihr im Zimmer schlafen, sind weg und unauffindbar! Beim Frühstück löst sich schließlich das Rätsel. Alles in Ordnung! Zumindest mit den Kindern… leider fühlt sich Judith nicht allzu gut. Ihr ist schlecht, wie zwei Tage vorher Sarah scheint sie sich einen Virus eingefangen zu haben. So bleibt sie lieber im Hotel, während wir anderen uns von Johnboy zum Waisenhaus von “Uplift Vulnerable Children and Orphans” bringen lassen. Direkt nebenan liegt das Elternhaus von Joseph, dem Bruder von Margaret, der in Regensburg Musik studiert. Der Vater der beiden (und 7 weiterer Kinder) ist ein einflußreicher Politiker, der es allen seinen Kindern ermöglichen konnte, zu studieren. Auch das Haus strahlt für ugandische Verhältnisse Luxus aus. Trotz des Drecks auf den Straßen (es hat des Nachts wieder stark geregnet) sind die Räume sauber und einladend. Was für ein Kontrast zu dem Waisenhaus, welche in zwei winzigen dreckigen Zimmern (eines davon sieht aus wie eine Garage) ca. dreißig Kinder beherbergt!
Die Waisenkinder betreten einzeln das Haus von Josephs und Margarets Familie und verneigen sich vor uns. Durch die Luft flattern Unmengen von Grashüpfern, die von den Kindern gefangen werden. Um einerseits damit zu spielen (sie umarmen sich ganz lieb, wenn man zwei zusammen bringt). Aber vor allem, um sie zu verspeisen, seien diese doch so nahrhaft wie wohlschmeckend! Also eine willkommene Nahrungsergänzung “gratis”! Wir lehnen jedoch dankend ab – bei dem Gedanken daran, Heuschrecken zu verspeisen, wird auch uns der Magen flau! Uns wird klar, wie gut es die Kinder in Jjanya im Vergleich zum Waisenhaus hier tatsächlich haben. Immer mehr durchschauen wir die verschiedenen Stufen der Armut – wo wir vorher Jjanya als recht ärmlich eingestuft hatten, begreifen wir jetzt: es geht noch schlimmer.
Zusammen mit einigen weiteren freiwilligen sozialen Helfern gehen wir ein paar Meter durch die schlammigen Straßen bis zu den Räumen des Schneiderprojekts. Dort stehen einige Nähmaschinen. An den Wänden hängen Muster der Uniformen, die angeboten werden. Die einzige Strickmaschine fertigt Pullis, die für immerhin 12.000 Shs weiterverkauft werden können. Eine Uniform bringt nur 5.000-6.000 Shs. Zu wenig für die Finanzierung des Gesamtprojekts! Jürgen überlegt, ob das Geld, das er persönlich von Spendern mitgebracht hatte, für eine zweite Strickmaschine nicht geeignet einsetzbar wäre. Bestimmt ein großer Schritt! Nachdem wir uns ausführlich umgesehen haben, quetschen wir uns wieder in den Bus und fahren raus aus Masaka in Richtung Manzi, dem Dorf, in dem Upflift Vulnerable Children and Orphans ihr Dorf-Waisenhaus aufbauen. Das im Viereck angelegte Ensemble befindet sich noch im Bau – man könne laut Margaret nur Stückweise bauen, da die Finanzierung noch nicht komplett sei und nur hin und wieder einzelne Verkaufprojekte Geld einbrächten. Es gibt zwei größere Wohngebäude für die Kinder, Abstellräume sowie einen Raum für den Hausmeister, den man beschäftigen möchte und für Matron, die sozusagen als Sozialarbeiterin bei den Kindern bleiben soll. Wie man zwei Festangestellte finanzieren soll, ist noch nicht gesichert. Man hofft, dass der gekaufte Wald sowie eine in der Schule beherbergte Kantine, welche auch Essen ans umliegende Dorf verkaufen möchte, genug abwirft, um diese Gehälter zu bezahlen. Um die Kinder zu ernähren, wird auf dem angrenzenden 1,5 acre großen Acker Matooke und Mais angebaut. Auch eine Kuh möchte man anschaffen. Momentan macht eine Matooke-Seuche den Bauern das Leben schwer: entdeckt man an den Pflanzen braune, eingerissene Blätter, dann sind diese von der Krankheit befallen und man muss sehr vorsichtig sein, dass die umgehauenen Pflanzen und ihr Sekret nicht mit gesunden Bäumen in Berührung kommt.
In Masaka holen wir dann Judith aus dem Hotel ab. Ich habe das Team von Uplift Vulnerable Children and Orphans (und natürlich unsere Meute) noch zu einem Essen auf ukihi-Kosten eingeladen. Schließlich sollen auch die weiteren freiwilligen Helfer, die ihre Freizeit einsetzen um dort unbezahlt den Waisen zu helfen, zumindest ein kleines Dankeschön erhalten. In einem schönen Restaurant lassen wir uns unter Bäumen zu einem Lunch Buffet nieder. Dort gesellt sich auch Schwester Agnes zu uns – sie hat das Projekt ins Leben gerufen. Wieder laden sich Kinder Unmengen Matooke, Reis und Fleisch auf die Teller. Macht nix – wir zahlen pro Kopf… Nach einer herzlichen Verabschiedung brechen wir auf und Johnboy bringt uns zurück nach Jjanya. “Welcome home” begrüßen uns “unsere” Kinder, als wir aus dem Bus steigen. Auch wir freuen uns, wieder zuhause zu sein. Die Kinder haben einen unvergesslichen Tag hinter sich. Mit den Eindrücken aus dem Waisenhaus haben sie auch einen Blick zurück in die Vergangenheit geworfen, denn auch sie entstammen der Straße.
Am nächsten Tag müssen wir schon wieder “weg von Zuhause” – Shopping in Kampala steht auf dem Programm. Wir haben einiges vor: unser mit Geschenken für die Kinder vollgepackter Reissack ist aufgetaucht und liegt in Entebbe am Flughafen. Wir brauchen ein neues Modem für unser Laptop; einige Handwerksutensilien sind in Mpigi nicht zu bekommen. Außerdem sollen wir ein neues Laptop für Osman, unseren ersten Straßenkind-Studenten, kaufen – seines war gestohlen worden. Dafür werden wir zunächst mal Geld tauschen müssen. Dieses Mal haben wir zumindest keine Kinder dabei. Aber Anna ist mitgefahren, Charles ist dabei um uns den Weg zu weisen. Und Judith und Sarah wollen unbedingt noch ihre “europäischen” Vorräte auffüllen und z.B. Shampoos und Nutella einkaufen. In der Nacht hat es wieder geregnet, und so sind die Straßen braun vor Dreck. Noch dazu sind ungewöhnlich viele Autos unterwegs. Charles erklärt, dass dies durch die vielen Schüler bedingt sei, die wegen der beginnenden Ferien auf dem Rückweg in ihre Heimatdörfer seien. Und so stehen wir erst mal im Stau. Naja – wir stehen nicht, sondern es wird wild hin-und-her Spur gewechselt. Was das Vorankommen zwar nicht wirklich beschleunigt, aber zumindest etwas abwechslungsreicher macht… auf dem Weg zum Flughafen, entlang der Ring Road um Kampala, weiß Johnboy eine besonders kluge Abkürzung. Diese Straße ist in so schlechtem Zustand, dass der Bus zweimal höchst geräuschvoll mit dem Unterboden aufsetzt. Aber er fährt noch! Auch auf der Straße nach Entebbe stauen sich die Autos. Der Flughafen ist uns mittlerweile schon gut bekannt. Jürgen sucht das Turkish Airlines Office auf, um seinen Ordner mit den Adressen dort abzuholen. Anna, auf deren Name der Reissack mit den Geschenken eingecheckt ist, kümmert sich um die Abholung des Gepäcksstücks. Ich warte derweil. Wir schaffen es sogar auf dem wirklich nicht großen Flughafen, uns zu verfehlen. Per Handy klappt die Verständigung, und schließlich treffen wir uns glücklich und zufrieden am Bus wieder: Jürgen mit seinem Ordner in der Hand und Briefmarken für seine Postkarten, die er jetzt, da er ja seine Adressen wiederhatte, doch wieder würde schreiben könnnen, Anna mit dem (schon recht zerschlissenen) Reissack, ich mit erleichterter Blase… zurück nach Kampala, wieder das gleiche Bild: Auto um Auto quält sich die dreckigen Straßen entlang. Wir passieren einen Supermarkt mit dem vielsagenden Namen “Psalm 23”. Jürgen hat Erfolg mit der Jagd auf sein Fotomotiv: er möchte unbedingt einen der Möbelläden fotografieren, die immer wieder am Straßenrand auftauchen: im Prinzip sind es immer die gleichen braunen Sofas im Kolonialstil, die selbst dem Regen trotzen müssen – so ein kleiner Riss im Stoff ist ja wirklich kein Grund, das Sofa nicht zu kaufen! An den Läden entlang der Straßen wird einem die Gelassenheit klar, mit der man hier durchs Leben geht: Wenn mal der Strom ausfällt – stellt man halt ne Kerze auf den Ladentisch; dann muss man halt etwas länger nach der Ware suchen! Neben diesen einfachen Geschäften machen sich die Überlegungen, die mir tagtäglich im Job so begegnen, ziemlich lächerlich aus… wo man sich Gedanken macht, ob man die Spotbeleuchtung besser in Warmweiß oder in Kaltweiß hätte; oder ob die Waren lieber an der Kasse oder am Gang platziert werden sollten… leben kann man hier auch! Und das gar nicht so schlecht, wie wir einige Tage später am Beispiel von unserem Nürnberger Bekannten Herbert würden erfahren können.
Unsere nächste Station ist die Shoprite-Plaza, wo auch der MTN store zu finden war. Dort wollen wir das Modem besorgen und klären, wieso eigentlich die ukihi-Handykarte immer noch nicht funktioniert. Es ist schon nach ein Uhr, als wir dort eintreffen. Sarah möchte unbedingt ins Internet-Cafe und wird quengelig, als sie feststellt, dass es dort keines gibt. Meine Nerven liegen auch schon ziemlich blank. Aber es hilft nix: Brav warten wir, bis der MTN Mitarbeiter sich zunächst umständlich unser Handy mitsamt Karte anschaut und letztendlich das gleiche diagnostiziert wi eder Mitarbeiter in Mpigi: die Karte müsse noch freeigeschatet werden. Aber in einers Stunde müsste es funktionieren. Na da waren wir ja gespannt. Danach ging’s an das Modem. Dieses Mal konnten wir die “Querprüfung” durchführen: unsere Karte rein ins MTN-Modem – funktioniert. Die MTN-Karte rein in unser Modem: funktioniert nicht. Fazit (längere Überlegung): es kann ja iegentlich nur unser Modem kaputt sein! Na das ist doch mal ne Erkenntnis!!! Dafür hatten wir knapp eine Stunde gebraucht. Die Aktion, zwei Modems einzupacken, geht dafür relativ schnell. Charles ist ziemlich happy, als er erfährt, dass er ein eigenes Modem bekommt! Für unter 30 Euro ist das auf jeden Fall im Budget, wie ich spontan entscheide. Wie geht’s weiter… Charles entscheidet: die Mädels bleiben hier, Einkaufen im Shoprite. Jürgen, Charles und ich machen uns zu Fuß auf in der Mission, das Laptop für Osman zu besorgen. Zuerst zur Western Union Bank: Geld tauschen. Wir können kaum Schritt halten mit Charles, der sich kreuz und quer und alle Autos mißachtend mitten durch den Verkehr pflügt. Hätten wir ihm gar nicht zugetraut, diese Behendigkeit! Sooo nah scheint der Weg gar nicht zu sein; zum Laptop-Laden sind wir weitere 15 Minuten fußläufig unterwegs. Und schon ziemlich verschwitzt, als wir dort ankommen. Unsere Mädels sind sicher schon fertig mit Einkaufen… so ganz können wir Charles’ Planung, zu Fuß loszuziehen anstatt Johnboy mitzunehmen und uns fahren zu lassen, nicht nachvollziehen. Der Besitzer des Computerladens, ein Inder, ist recht kompetent. Ich weiß genau, was ich will. Norbert hat präzise Anweisungen gegeben: der Laptop soll Windows vorinstalliert haben, und MS Office. Und er darf nicht mehr als 400 Euro kosten. Uns bleibt nicht viel Auswahl, und so entscheiden wir uns für ein nobel aussehendes Samsung-Gerät. Jetzt aber nix wie zurück zum Bus… Charles lässt es sich nicht nehmen, das Laptop stolz selbst zu tragen. Weswegen ich auch darauf bestehe, diese persönlich an Osman zu übergeben! MS Office muss auch noch installiert werden. Die Mädels warten schon am Bus – nicht wirklich zufrieden. Der Shoprite war wohl zwar teuer gewesen, aber lange nicht so gut bestückt, wie der Supermarkt, in welchem wir zu Beginn unseres Aufenthalts eingekauft hatten. Aber das mit dem Internet-Cafe hatte halt nicht hingehauen. Und auf die Idee, einfach mal unsere neuen Modems auszuprobieren, waren sie nicht gekommen. Aber es sollte noch Zeit bleiben: Jürgen besteht darauf, auch noch das Werkzeug zu besorgen. Er hatte bestimmt Recht – wir würden das für unsere noch ausstehenden Arbeiten am Wohnheim wirklich dringend benötigen. Zwar versichert uns Charles, dass der Shop gleich um die Ecke sei – aber letztendlich vergeht doch fast eine Stunde, bis die beiden wieder auftauchen. Immerhin – das Modem funktioniert, sogar auf dem Parkplatz im Bus! Mittlerweile ist auch Osman beim Shoprite eingetroffen. Er freut sich sehr, mich zu sehen – schließlich kenne wir uns schon von meinem letzten Aufenthalt in Jjanya. Damals war er noch der “Leadboy” gewesen – einer der besten der Abschlußklasse, so was wie ein Klassensprecher. Heute ist er stolzer Student! Und jetzt sogar wieder mit eigenem Laptop! Er erklärt mir, dass er gerade seine Abschlussarbeit in Sozialpädagogik schreibt. Thema: Einfluss des Analphabetismus auf die Armut in Dörfern. Nach der Abschlussarbeit heißt es für ihn noch mal drei Monate Pauken, dann Abschlussprüfungen. Und dann muss er versuchen, einen Job zu finden. Richtig gut verdienen kann man in Afrika wohl nur bei der Regierung. Anfangen muss man wohl zunächst mal klein, und sich mit nur geringem Einkommen erst mal Erfahrung aneignen. Die Anzahl qualifizierter Jobangebote sei eher gering – und oft würde man nur mit Beziehungen an die guten Stellen rankommen. Aber er schien sehr zuversichtlich, es schaffen zu können – schließlich kommt auch er von der Straße, und er hat es schon bis an die Uni geschafft! Bevor ich das Laptop an Osman übergeben kann, muss noch Office installiert werden. Hierzu brauchen wir Strom. Also beschließe ich, noch gemeinsam zu Abend zu essen. Wir fahren ins Pope Paul Hotel. Dort hatten wir schon vor drei Jahren unsere erste Nacht in Uganda verbracht. Es ist schön an einem Hügel gelegen, man sieht die Lichter der Stadt. Mal mehr mal weniger – auch heute haben wir wieder mal mit Stromausfällen zu kämpfen. Die unsichere Stromversorgung ist auch der Grund, wieso man im Hotel von uns 5.000 SHS haben möchte – nur um an Strom aus der Steckdose zu kommen! Das wiederum sehe ich nicht ein: schließlich wollten wir zu zehnt dort essen und nicht nur Strom schmarotzen! Die Drohung, dass wir auch wieder gehen könnten, fruchtet schließlich und man bietet uns einen Platz an der Steckdose an. Zeit, um in aller Ruhe das Office zu installieren und zusammen mit Osman dessen neues Laptop zu erkunden, bleibt in Hülle und Fülle: die Eigenschaft, eines der besten Hotels am Platze zu sein, heißt noch lange nicht, “westliche” Servierzeiten einhalten zu wollen! Eine halbe Stunde dauert es, bis die Getränke serviert sind. Nach einer weiteren Stunde bekommen die ersten ihr Essen. Die letzten müssen so lange warten, bis die ersten schon aufgegessen haben. Keep cool, sag ich mir… der Tag hat mir zugesetzt, und eigentlich möchte ich nix wie nach Hause ins Bett. Auf dem Weg besorgen wir noch Matooke und Ananas. Und bewundern die vielen “Heuschrecken-Fanganlagen” entlang der Straße: Was anfangs wie beleuchtete Wellblechbuden aussah, entpuppt sich als einfache Methode, die wohl ziemlich schmack- und nahrhaften Tiere effizient und einfach zu erbeuten. Blanke Wellbleche werden mit starken Halogenlampen beleuchtet, was die Heuschrecken anzieht. Diese fliegen gegen die Wellbleche, rutschen dort nach unten ab und landen direkt in Eimern. Sobald ihnen erst mal Flügel und Beine ausgerupft sind, braucht man sie nur noch zu frittieren – und fertig ist das Mittagessen! Endlich zuhause in Jjanya… es steht noch die Verhandlung aus, wie viel denn eigentlich an Johnboy als Lohn zu zahlen ist. Eigentlich erscheint es mir unlogisch, drei volle Tage bezahlen zu müssen (Anreise Masaka, Heimreise, Kampala). Schließlich hatte Johnboy im Hotel in Masaka immerhin die Vorzüge eines Einzelzimmers genießen können und war beim Buffet eingeladen gewesen! 170.000 pro Tag ist wohl die normale Rate… und so schienen mir 400.000 mehr als angemessen. Johnboy akzeptiert nach kurzer Verhandlung und verdrückt sich. Schon am nächsten Tag lässt mich Norbert wissen, dass die 400.000 wohl viel zuwenig gewesen seien – schließlich müsse Johnboy auch Abgaben an seinen Dienstherren bezahlen. Und als wir ihn drei Tage später für unsere Rückreise für den Transport nach Entebbe engagieren wollen, sagt er nur zu, falls er noch eine Nachzahlung bekommt. So ganz leuchtet es mir zwar nicht ein, dass ein Taxifahrer so viel verdienen soll… aber zähneknirschend stimme ich letztendlich doch zu.
Der Samstag würde unser letzter voller Tag sein, um Restarbeiten am Mädchenwohnheim zu erledigen. Wie schon immer, organisieren wir die Schlüssel für die Library, wo unsere Toolbox mit den Werkzeugen sowie das Holz gelagert ist. Mittlerweile sind wir gut eingespielt, und so geht die Arbeit schneller von Hand. Zügig sind die restlichen Fenster mit Moskitonetzen versehen. Die Zeit verrinnt wie im Flug. Zuhause im Guesthouse beginnen wir mit dem Sortieren unserer Geschenke – wie viele von welcher Größe an Trainingsanzügen haben wir eigentlich? Wie können wir die Geschenke gerecht verteilen – wer bekommt was?
Den Sonntag lassen wir gemütlich angehen. Ausgiebiges Frühstück; Sarah, Judith und Anna besuchen die Kirche, Postkartenschreiben, Rumlungern, einfach mal Nichts tun. Nachmittags steht ein Fußballspiel auf den Programm. So ganz bekommen wir nicht raus, wer eigentlich gegen wen spielt – aber egal. Jeder hat Spaß, die Jubelschreie und Anfeuerrufe tönen bis zum Guesthouse runter.
Montags bleibt nicht mehr allzu viel zu tun. Letzte Arbeiten am Wohnheim, Aufräumen der Toolbox. Ich bastle stabile Tüten, um endlich die vielen verschiedenen Schrauben geordnet zu bekommen. Wir erstellen eine Liste, was noch alles fehlt, um effektiver arbeiten zu können: stabile Schrauben, Bohrer, Sägen… das würde die Januar-Gruppe aus Deutschland mitbringen können, um die Tools aufzustocken. Derweil verteilt Judith Haken an die Mädchen, die zum Aufhängen der Kleidung verwendet werden können. Nicht immer geht es dabei gerecht zu – die Mädels kapieren schnell, wie sie sich einen Vorteil verschaffen können und raffen, wo sie können. So landen unversehens zwei Kleiderstangen an einem Bett – schneller als wir schauen können – und andere Mädels haben gar keine abbekommen. Aber unsere Ermahnungen, dass wir erwarten, dass gerecht mit den Sachen umgegangen würde, fruchten. Letztendlich bekommt jedes Mädchen sein neues Wohn-accessory – eine Latte mit vier Kleiderhaken dran, aufgehängt mit Kabelbinder. Mehr Luxus ist nicht drin, aber die Mädchen freuen sich dennoch über den neuen Komfort. Für den Nachmittag bleiben uns nur noch Restarbeiten und wir werden nicht alle fünf gebraucht. So bleibt mir die Zeit, zusammen mit Anna echte deutsche Pfannkuchen zu backen. Sarah bereitet den Krautsalat ebenfalls auf Deutsche Art zu. Zumindest etwas Abwechslung in unserem anderweitig doch sich häufig wiederholenden Speiseplan.
Es ist Dienstag – unser letzter Tag in Jjanya. Die Examen der Secondary School sind beendet – endlich Zeit, um unsere Geschenke zu verteilen. Außerdem müssen wir für die Party einkaufen und diese vorbereiten.. Und eigentlich wollte ich noch Charles’ Angebot wahrnehmen, mal sein Motorrad ausprobieren zu dürfen! Anna und Anna werden zum Shopping auserkoren, die beiden fahren mit dem Boda-boda nach Mpigi. Wir anderen überreichen zunächst einige restliche Geschenke für die Primary School an Rektorin Beatrice, die sich wiederum überschwänglich bedankt. Im Gegenzug werden uns Kinder geschickt, die uns helfen sollen, die Taschen mit den Geschenken für die Secondary School den Berg rauf zu schaffen. Es sind so viele, dass uns letztendlich nichts anderes übrig bleibt, als unbepackt nebenher zu trotten. Oben in der Schule ist alles ruhig – Charles sitzt nicht in seinem Büro, die Türen sind verschlossen, keiner da… irgendwie hatten wir erwartet, dass schon alles für die große Übergabe vorbereitet war… Auch der Headboy weiß von nichts. Wir organisieren die Schlüssel für die Bücherei und beginnen mit dem Aufbau: die Trainingsanzüge werden nach Größen geordnet, übrige Mitbringsel wie Sonnenbrillen, Taschen, Kulis, T-Shirts und sogar einige Krawatten usw. gezählt. Es entsteht ein Plan, wie die Geschenke gerecht zwischen den Straßenkindern verteilt werden können. Derweil trommelt der Headboy diese zusammen. Um kein Chaos entstehen zu lassen, verteilen wir zuerst die von Infineon gesponserten Trainingsanzüge. Schnell haben wir ein gutes Augenmaß, welche Größe welchem Schüler passt.
Der Aufforderung, gleich in die Trainingsanzüge zu schlüpfen (für die Sponsorenfotos) kommen die Jungs und Mädels gerne nach. Im Gänsemarsch lassen wir sie – nach Jungs und Mädels getrennt – anschließend die restlichen Geschenke abholen. Jeder zwei Kulis, jeder ein T-Shirt; Mädels bekommen die Handtaschen; Jungs die genähnten von der Raiffeisenbank… wir hoffen, dass uns die Verteilung einigermaßen gerecht gelungen ist. Auch die Lehrer gehen nicht leer aus – schließlich sind die Ndi Bulungi T-Shirts alle >= L und würden nur den allerkräftigsten Schülern passen. Und dann zuletzt: die Fotos. Gruppenfoto geht noch recht einfach. Bitte alle schön die Taschen mit Raiffeisen-Logo in die Kamera halten; Infineon-Logo sichtbar auf den Traininganzügen… Aber dann: die Einzelfotos. Gefühlt habe ich wohl jede erdenkliche Kombination der 32 Schüler fotografiert – was so ca. 6 Millionen wären… in Wirklichkeit waren es wohl so an die 100 Fotos; jeder springt noch kurz vor die Linse und möchte sich präsentieren. Die beiden Annas sind mittlerweile von ihrer Shopping-Tour zurückgekehrt und erzählen von ihren Erlebnissen: aufgrund eines Mißverständnisses hatte man wohl zunächst 20kg Fleisch anstatt nur 10kg gekauft… Vor der Party bekommen wir sogar noch ein mal von Anna gekocht – es gibt Chapati; Maisfladen also. Eigentlich dachten wir, Anna wollte schon zu Mittag mit der Vorbereitung für die Party beginnen. Aber sie lässt sich Zeit… sollte sie nicht eigentlich oben in der Secondary School mit dem Kochen helfen? Wir packen derweil unsere Sachen für die bevorstehende Abreise morgen. Erst gegen 16 Uhr brehen wir auf, hoch zur Secondary School. Dort bereiten schon viele fleißige Hände das bevorstehende Festessen zu: ein Riesentopf Matooke wird gekocht; daneben ein ebenso großer Topf mit Reis. Bananenblätter dienen als Topfdeckel und zum Dämpfen/Einwickeln der Kochbananen. Das Fleisch wird kleingeschnippelt und zu Soße verarbeitet. Hier wird nicht zwischen Schulter, Lende, Haxe, Rippchen… unterschieden; man kauft einfach x kg Schwein oder Rind… Kurzbraten ist unbekannt; eigentlich wird jedes Stück Fleisch kleingehackt und gekocht. So ist auch die Qualität der Soße meist sehr gemischt: wenn man Glück hat, hat man ein wunderbares Stück Filet erwischt… oder allerdings einen Knorpel, auf den auch Herumkauen nicht viel hilft! Wir helfen mit beim Zwiebel- und Tomatenschneiden und es bleibt viel Zeit, mit den Schülern zu ratschen und zu spielen. Zwischendrin werden wir ins Mädchenwohnheim abkommandiert. Dort überreicht man uns selbstgebastelte Posterkartons mit Weihnachtswünschen, Danksagungen, Grüßen…. Jedes Mädchen hat für jeden von uns (und für die Zuhausegebliebenen!) eines gebastelt! Wir werden wohl unsere Koffer noch mal re-arrangieren müssen… und alle werden einzeln überreicht – eine echte Zeremonie! Gerührt treten wir ab, um erst mal alle Geschenke sicher zu verstauen. Auf Jürgen wartet noch ein Auftrag vom Headmaster: er möchte den Innenhof erleuchten. Eine Birne ist vorhanden, eine Fassung auch. Das Kabel entpuppt sich als zwei verdrillte dünne Litzen – eigentlich nicht wirklich geeignet, um eine 100W-Glühbirne zu betreiben. Stecker gibt’s nur einen europäischen. Aber wenn man ein bisschen stärker drückt, passt der auch in die englischen Steckdosen… widerwillig flickt Jürgen das Ganze zu einer Beleuchtungseinheit zusammen, die tatsächlich funktioniert! Es muss eben nicht immer ne Designerleuchte sein, denke ich mir – ich, die zuhause in Europa im Leuchtengeschäft tätig ist und dafür zuständig ist, sich ständig neue Innovationen für Büro- und Industriebeleuchtungen auszudenken…
Eigentlich ist alles bereit. Das Essen köchelt schon lang genug vor sich hin; wir haben Licht, ein CD Player wird bereits von einigen Schülern in Gang gebracht. Stühle sind in Reihen arrangiert – sieht nicht wirklich gemütlich aus, aber wir werden ja auch noch eine Rede halten müssen. Nur – es sind so gut wie keine Leute mehr da. Wo ist Charles? Wo Köchin Anna, die das Essen als fertig “freigeben” sollte? Und wo sind die restlichen Schüler? Wieso fangen wir nicht an mit der Party? Wir machen uns auf die Suche; schließlich taucht Charles wieder auf und die Schüler laufen zusammen und wenden sich auch gleich dem Essen zu, das mittlerweile schon im Innenhof der Secondary School bereit steht. Jürgen und ich verziehen uns noch kurz in die Bibliothek, um unsere Rede vorzubereiten. Mittlerweile hat Anna herausgefunden, wieso die beiden Wachmänner (“Watchmen”) so kurzangebunden sind: sie können kein Englisch, stammen sie doch aus dem Kongo! Wenn man aber französisch mit ihnen spricht, tauen sie auf, verlieren die von Speer und Pfeil und Bogen unterstüzte furchteinflößende Aura und man kann herrlich mit ihnen witzeln – wenn man denn Französisch kann! Anna bittet mich, in meine Rede auch einen kleinen Dank für die beiden Watchmen einzubauen – und ich lerne noch schnell den Satz “Merci a le watchmen pour la securite” auswendig.. Alle kauen noch an Fleisch und Fisch – der eine erwischt mehr Knochen, ich habe es heute leider nur zu Knorpel gebracht. Die Erdnußsoße, die zum Fisch gereicht wird, ist nicht so mein Fall. Während die Schüler noch schmatzend und schleckend mit ihren Tellern beschäftigt sind, fordert mich Charles auf, mit den Reden zu beginnen. Wir bedanken uns für die neuen Freundschaften, die wir schließen konnten. Geben den Schülern Wünsche mit, dass sie ihre Examen gut abschließen konnten. Wünschen viel Freude mit der neuen Wasserleitung und dem zumindest etwas instandgesetzten Wohnheim der Mädchen. Und wünsche Judith und Sarah viel Glück während ihres halbjährigen Aufenthalts – und dass die Schüler sie unterstützen mögen. Nur den Satz für die Watchmen – den französischen, den ich auswendig gelernt habe – vergesse ich in der Aufregung. Wir werden uns einfach später persönlich bedanken! Die Rede von Charles folgt auf dem Fuß. Norbert hat bereits angekündigt, dass seine Reden sich etwas mehr in die Länge zögen.. Und so war es dann auch. Natürlich bedankt er sich bei uns; entschuldigt sich, dass er aufgrund der Examen so “busy” gewesen sei. Erwähnt, dass er sich schon sehr auf die nächste Reisegruppe freue und dass wir überhaupt immer hochwillkommen seien. Damit aber nicht genug: Wechsel im Tonfall, jetzt kommt das Thema “Excellence”. Dass seine Schule nur von exzellenten Schülern zu besuchen sei. Dass er von seinen Schülern Disziplin erwarte – incl. genauer Erläuterungen, was das für ihn bedeute. Und dass er kein Fehlverhalten dulden könne. Einmal auffällig, eine Warnung – und beim nächsten Fehler: Abflug! Nach den europäischen Werten Verständnis und Toleranz klingt das nicht – aber nicht im Traum würde es uns einfallen, hier zu korrigieren oder Charles irgendwo kritisieren zu wollen. Die Uhren ticken in Afrika eben etwas anders! Irgendwann geht selbst die langatmigste Rede zu Ende, und wir können zur Party übergehen! Zwar “zickt” der CD-Player hin und wieder, aber dennoch können wir ausgelassen tanzen. Schade, dass wir morgen sehr früh aufstehen müssen. Glücklicherweise hat sich Johnboy doch noch überreden lassen, uns zu fahren – nach der Zusage, dass wir ihm die 110.000 USH nachzahlen würden, die ich ihn vor drei Tagen runtergehandelt hatte. Na gut…. Beatrice lässt es sich nicht nehmen, uns persönlich zu verabschieden. Charles bekommt von Jürgen ein Sakko geschenkt, in das er nur gequetscht reinpasst – immerhin ist er doch etwas massiger als Jürgen! Er probiert es trotzdem und gibt den Spaßvogel in Zwangsjacke… irgendwie ist er schon ein bisschen Clown, unser Charles. Außer Charles und Köchein Anna quetschen sich auch vier Schüler in den Bus: Edmund, Hilder, (eine, deren Namen wir vergessen haben) – und sogar Steven darf mit. Wir haben Charles verraten, dass wir von Steven viel halten. Er sei arbeitswillig, lernfreudig und schlagfertig. Vielleicht ist es genau dieser Witz, der Schalk in Steven’s Augen, der Charles nicht so zusagt, denn er hält ihn für einen mittelmäßigen Schüler. Wieder einmal prallen verschiedene Ansichten aufeinander – wo in Europa Selbstbewußtsein und Witz viel zählt, ist hier mehr Disziplin und strenges Gehorsam gefragt. Auch Sarah und Judith begleiten uns – ab morgen würden sie alleine zurecht kommen müssen. Aber sie wollen Johnboy’s Fahrdienste nutzen, um in Kampala noch mal kräftig Lebensmittel einzukaufen. Zum Glück ist weniger Verkehr als am Wochenende. Trotzdem kommen wir nur langsam voran. Johnboy lässt es sich nicht nehmen, wieder mal eine seiner berühmten Abkürzungen durch die Schlaglöcher zu fahren. Der Bus rumpelt und das Bodenblech kracht. Neben mir schläft Charles friedlich trotz der schon sehr unruhigen Fahrt… Bevor wir den Touristenmarkt stürmen können, müssen wir noch mal Geld wechseln. Mittlerweile kennen wir die Western Union Bank gut. Alle raus aus dem Bus, Warten, noch kurz im Hotel aufs Kloo.. Wieder rein in den Bus… immer die gleiche Prozedur. Der Touristenmarkt entpuppt sich als eine Ansammlung von gefühlten 100 Souvenirständen in einem Hof mitten in der Stadt. In Wirklichkeit mögen es wohl an die dreissig Stände sein. Bevor ich privat “zuschlagen” darf, gilt es noch, Norbert’s Einkaufliste für den Verein abzuarbeiten. Es macht Spaß, zu verhandeln – schließlich haben wir bei den Mengen, die wir für den Verein brauchen, eine recht gute Basis! Meist beträgt der Endbetrag bei den 20-25 Stück pro Artikel, die wir kaufen, weniger als die Hälfte des anfangs genannten Preises. Die angebotenen Schmuckstücke, Holzschnitzereien, Holzschalen, Tücher, T-Shirts, Flechtarbeiten, Malereien.. Sind einfach so unglaublich günstig, dass wir fast in einen Kaufrausch geraten. Sarah und Judith möchten uns so viel wie möglich noch mit nach Hause geben – wir werden noch mal Koffer umpacken müssen! Nur noch mal schnell da rüber zu dem Korbmacher; ach die Halsketten waren total süß… Jürgen braucht Beratung, welches Halstuch seiner Frau wohl gefallen könnte… leider kommen wir Geschmack-mäßig nicht so zusammen…. Die Kinder warten derweil (mehr oder weniger geduldig) im Bus. Es vergehen bestimmt zwei Stunden, bis jeder zumindest einigermaßen zufrieden ist. In Souvenirrausch habe ich ganz vergessen, Charles zu bitten, Osman anzurufen, um ihn irgendwo in der Stadt zu treffen. Wenn wir noch etwas mit den Kindern unternehmen möchten (wir wollen in den Zoo gehen), sollten wir so langsam aufbrechen in Richtung Entebbe. Also beschließt Charles, dass es wohl das beste sei, Osman dort zu treffen. In einem kleinen Restaurant mit dem vielsagenden Namen Hosana essen wir ein letztes Mal mit den Kindern zu Mittag. Osman lässt auf sich warten… schließlich stellt sich raus, dass er irgendwo ein paar Straßen weiter auf uns wartet. Ich kontaktiere Herbert, unseren Bekannten aus Nürnberg, der hier in Entebbe ein Haus gebaut hat und in Uganda dem Deutschen Winter entflieht. Wir wollen Herbert am Zoo treffen. Auf einem kleinen Motorrad fährt er vor – hätte ich ihm gar nicht zugetraut! Während der Unterhaltung mit ihm stellt sich schnell raus, dass er sich ziemlich gut auskennt in seiner zweiten Heimat Entebbe. Nicht nur weiß er ziemlich viel über den Zoo und dessen Philosophie; er kennt einige der Gründer und Sponsoren des Zoos und weiß, wo welche Tiere her kommen, die jetzt hier residieren. Desweiteren hat er durch seinen Hausbau auch jede Menge Erfahrung mit ugandischen Handwerkern. Wo man gutes Baumaterial bekommt, worauf man beim Kauf von Nägeln und Holz achten sollte usw… für uns sehr nützliche Informationen! Bisher hatten wir uns meist auf Charles verlassen – der zugegebenermaßen bei praktischen Dingen nicht so das große Händchen hat. Sarah und Judith, die mich auf der Fahrt hierher noch verstohlen gefragt hatten, wer denn dieser Herbert sei und ob man ihn wohl auch hin und wieder kontaktieren könne, sind heilfroh, als dieser den beiden ungefragt seine Visitenkarte zusteckt und Hilfe anbieten, sollten die beiden irgendwas brauchen. Der Zoo ist zwar größenmäßig überschaubar, aber didaktisch sehr klug aufgebaut. In kleinen Zusatzausstellungen erfährt man etwas über die Geschichte Ostafrikas, die Völkermorde, Nilexpeditionen – und die Auswirkung von Abholzung und agrarische Nutzung der Böden auf Tierpopulation und -Migration. Die beiden Löwen dösen müde auf einer Kiste. Den Spoon-Bill-Bird (?) finde ich faszinierend – wie er so mit seinem Schnabel in der Erde rumlöffelt. Nur Charles ist nicht wirklich ein Vorbild für die Kinder – versucht er doch, die Affen mit kleinen Papierstückchen anzulocken. Was den Tieren bestimmt nicht wirklich bekommt, stecken diese das Papier doch sofort in den Mund und kauen drauf rum – und deswegen auch verboten ist. Die Schimpansen posieren auf einem kleinen Käfig – hier nicht von Mengen von Blattwerk verdeckt. Bevor wir auf einen kleinen Bushwalk hinter dem Löwengehege entlang aufbrechen, gelangen wir durch einen Kräutergarten, der die verschiedenen Gewächse Ostafrikas und ihren Einsatz und Wirkung bei Krankheiten beschreibt. Herbert erzählt, hier seien schon des öfteren Vertreter von europäischen Pharmafirmen gesichtet worden – um dieses Wissen abzugreifen, um das uns Europäern die noch viel mehr mit Mutter Erde verbundenen Afrikaner meilenweit voraus sind! Den Abschluß unseres Rundgangs durch den Zoo bildet ein Besuch bei den Giraffen. Diese haben ihr Gehege in einem etwas abgelegeneren Teil des Zoos. Wir gehen am Ufer des Viktoriasees entlang – das erste Mal, das wir diesen direkt vor uns sehen! Mittlerweile sind die Mücken schon gut unterwegs. Die Dämmerung bricht herein. Zum Glück lassen sich die Giraffen nach fünf Minuten intensiven Spähens doch noch bitten und erscheinen auf der Bildfläche, bevor es dunkel wird. So langsam treten wir den Rückweg an. Sarah und Judith wollen noch ihre Einkäufe erledigen. Natürlich weiß Herbert einen tollen Laden, der nicht zu teuer, dafür aber umso besser sortiert sein soll und lotst uns auf seinem Motorrad dort hin. Von außen sieht der Laden sehr unscheinbar aus – wie ein kleiner Tante-Emma-Laden. Aber er entpuppt sich als besser sortiert als der westliche S… in der Stadt. Und günstiger! Die zwei Flaschen Waragi-Schnaps und die Zigaretten, die uns Norbert noch per SMS zu Kaufen aufgetragen hat, sind schnell besorgt. Nur Judith und Sarah sind im Kaufrausch und lassen auf sich warten. Um noch zum Abendessen zu fahren, ist es mittlerweile schon zu spät geworden. So beschließe ich, für die Kids, Johnboy und Charles zumindest noch ein paar Softdrinks zu besorgen. Irgenwann tauchen auch die beiden Mädels wieder auf. Nur noch schnell etwas Gemüse….! Charles wird ungeduldig, aber es hilft nix: “wer zahlt, schafft an” – so sagt es uns Norbert immer wieder. Die nächste Station, bevor wir endgültig Adieu sagen müssen, führt uns nach Hause zu Herbert. Wir werden bei ihm den Abend verbringen können – schließlich geht unser Flieger erst nachts um drei Uhr! Sein Heim liegt in einer der besseren Gegenden von Entebbe. Doch auch hier war schon seit fast zwei Tagen der Strom ausgefallen. Und seit heute morgen läuft auch kein Wasser mehr. Die Straßen sind in einem erbärmlichen Zustand aufgrund des Regens. Und doch, so erzählt Herbert, würde man hier für die Miete eines Hauses seiner Kategorie um die zweitausend Dollar Miete zahlen – pro Monat!! Preise wie in München, wer soll denn so was zahlen? In einem Land, wo das durchschnittliche Jahreseinkommen noch nicht mal so hoch ist?!? – Es sind meist ausländische, reiche Fremde – durchaus auch Afrikaner – welche diese Häuser in der Gegend besäßen, so Herbert. Jetzt schlägt der Zeitpunkt der Wahrheit. Der Bus muß zurück nach Jjanya. Wir müssen uns verabschieden. Ein letztes Mal tauschen wir Wünsche aus, Grüße werden ausgerichtet, Hände geschüttelt, Umarmungen ausgetauscht. Obwohl wir uns mittlerweile schon auch wieder auf Zuhause freuen, fließen doch einige Tränen. Wir wollen noch was essen gehen. Herbert, der selbst gar kein Auto besitzt, bekommt eines ausgeliehen – von seinem Angestellten! Dieser hat – wiederum ungewöhnlich für einen hiesigen Hausmeister – sogar ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung. Vom Nachbarn, der seinen Hausmeister während der Zeiten, in denen er nicht im Land ist, das Haus hüten (und auch dort wohnen) lässt. So können wir zu dem kleinen Indischen Restaurant bequem mit dem Auto fahren. Dort treffen wir vor allem Muzungi. Trotzdem sind die Preise moderat – für fünf-sechs Euro bekommen wir leckeres, sehr würziges indisches Essen mit knusprigem frischem Brot. Wir genießen es, wieder ein bisschen Luxus zu spüren. Auch als wir wenig später auf Herbert’s idyllischen Terrasse sitzen und ein letztes Mal afrikanische Luft einatmen. Hier scheint der Staub der Stadt; die Hektik, die Autos und der Lärm mit einem Mal weit entfernt. Hier lässt sich erahnen, was Herbert seit vielen Jahren jedes Jahr wieder für einige Monate nach Uganda zieht: er genießt seine Rente, bei lauschigen Temperaturen kann man im Garten Affen und Vögel beobachten. Es gibt Orangenbäume, Palmen und hin und wieder sogar wildere Tiere. So kann man’s in der Tat aushalten – auch wenn hin und wieder bei Schwarzen wie Weißen das Licht nicht geht! Pünktlich um ein Uhr nachts holt uns Herbert’s Haus-und-Hof-Fahrer und liefert uns unproblematisch am Flughafen ab. Hier kennen wir uns schon aus…. Die Schlange, in der wir uns einreihen müssen, ist auch nicht zu übersehen! Naja, wir haben ja viel Zeit! Es fliegen noch mehr Maschinen – um diese nachtschlafende Zeit kann man wohl nur hier in Afrika starten und landen, wo es keine Vorschriften gibt und das Wohlergehen sowie der Nachtschlaf der hier wohnenden Menschen nur zweitrangig ist. Die Schlange bewegt sich nur langsam voran, obwohl drei Schalter geöffnet sind. Selbst wenn nur zwei zusammen einchecken, scheint es Ewigkeiten zu dauern. Und an Schalter drei steht seit über einer halben Stunde immer noch die gleiche Gruppe. Den Ausdruck “Kaffeekränzchen halten” kennt man hier zwar bestimmt nicht, aber so was ähnliches scheinen die dort wohl zu machen – oder? Eine halbe Stunde vor Abflug stehen wir immer noch in der Schalterhalle. Vor uns noch eine Reisegruppe. Immer noch sind drei Schalter offen – aber an keinem bewegt sich was. 20 Minuten noch, wir sind dran!! Umständlich beginnt die Flughafenangestellte, in einer Liste nach unseren Namen zu suchen. Gar nicht so einfach, bei so komplizierten Namen wie “Neubauer”, “Kunisch” und gar “Dippold”! – OK, wir stehen auf der Liste. Jetzt müssen die Nummern hinter den Namen auf der Liste in den Computer eingetippt werden. Sie vergleicht Nummer für Nummer. 2 – Blick in den Computer – aha: die zwei ist getippt – Blick aufs Blatt – wo ist die zwei? – hier – nächste Ziffer – fünf – Blick zurück auf den Computer – tippt die fünf – wo waren wir? – zwei-fünf – Blick zurück aufs Papier – zwei-fünf – da kann ja nur die sieben danach kommen…. Insgesamt sind pro Person acht Ziffern einzugeben! Als sie fertig ist – stürzt der Computer ab! Meine Hoffnungen, noch auf den Flieger zu kommen, schwinden und ich mache mich insgeheim schon auf einige weitere Tage in Afrika gefasst. Wir versuchen es noch mal, nach dem Reboot des Computers. Zwei – Blatt – Screen – zwei – fünf – Screen – Blatt – zwei-fünf — Blatt – sieben … irgendwie schafft sie es ein zweites Mal – und auf einmal bewegt sich was im Drucker und – oh Wunder! – unsere Bordkarten erscheinen! Ich kann nicht anders: mir entfährt ein lauter Schrei der Freude! Ob unser Gepäck auch mitreisen wird, das noch immer unbeachtet auf dem Band steht, ist mir in diesem Moment egal. Aber noch ist es nicht geschafft: Passkontrolle. Die Frau am Schalter hat meinen Schrei mitbekommen und tut jetzt alles, um mich zu drangsalieren. Kein Wort entfährt ihrem Mund. Mit herablassender Geste fordert sie mich auf, ihr den Pass zu geben. Meine Finger auf den Scanner zu legen. Aber da war ja noch der rechte kleine Finger, den ich wegen einer Kapselverletzung nicht richtig strecken (und deswegen auch nicht auflegen) kann! Es macht ihr richtig Spaß, meinen Finger mit Schmackes auf das Glas zu pressen. Schließlich ist es geschafft. Noch fünf Minuten. Zweite Gepäckkontrolle. Schwarze werden klar bevorzugt, wir müssen uns hinten anstellen. Und als einzige auch die Schuhe ausziehen. Die Maschine steht noch da. Am Ende renne ich strumpfsockig übers Rollfeld. Aber es ist geschafft – wir sind drin! Jetzt nichts wie schlafen! Ich ziehe mir die Maske übers Gesicht, Ohrenstöpsel rein. Aber schon nach einer Stunde werden wir harsch durchgerüttelt. Was ist jetzt los – Landung?? Nach Istanbul dauert es doch sechs Stunden? Es stellt sich raus, dass wir in Nairobi zwischengelandet sind. Scheinbar funktionieren die Flieger hier wie Matatus – wenn jemand am Straßenrand (Rollfeld) steht, wird er auch mitgenommen! Erneuter Start, und als nächsten Halt fliegen wir in der Tat Istanbul an. Viel Schlaf habe ich nicht bekommen… am nächsten Tag sind wir wieder in good old Germany!